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Fahrbericht – Mercedes-Benz EQV

Veröffentlicht am: 7. Juli 2021Von
IMG 8622 Mercedes EQV 150Den Mercedes-Benz EQV hatten wir noch kurz vor Corona etwa zwei Stunden rund um Wien testen können. Es ist ein beeindruckender 8-Sitzer, mit Reichweite und Schnellladefähigkeit. Jetzt muss er beweisen, was er auf dem Long-Run kann. Wir wollen „ohne Planung“ nach Hamburg. Geht das?

 

Mercedes-Benz wird elektrisch

IMG 8445 h 250Mercedes startet die Elektro-Offensive mit dem EQA, EQB, EAC und als „Prachtstück“ kommt der EQS, quasi die elektrische S-Klasse. Wir haben hier schon die Nutzfahrzeuge eSprinter (Fahrbericht – Mercedes-Benz eSprinter) und im Kurztest den EQV (Fahrbericht (kurz) Mercedes-Benz EQV) und eVito (Fahrbericht (kurz) Mercedes-Benz eVito) vorgestellt. Der eVito wird dann im Oktober auf die Reise geschickt.

Beim direkten Umstieg vom Toyota Proace auf den Mercedes-Benz EQV wird deutlich: beim Proace wurde schon „gespart“, damit das Auto mit etwa 66.000 Euro angeboten werden kann. Der Mercedes-Benz ist stärker (204 PS), hat mehr Reichweite (brutto: 100 kWh), ist hochwertiger ausgestattet. Das hat natürlich seinen Preis – und bei über 90.000 Euro hat, gerade bei Familien mit mehr als drei Kindern, der Toyota Proace (s.a. Fahrbericht – Toyota Proace Verso Elektro) (baugleich mit dem Citroën ë-SpaceTourer und dem PEUGEOT e-Traveller) vermutlich die Nase vorn.

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Dann mal los

2 IMG 8450Wo war noch einmal der Wahlhebel? Ach ja, als Lenkstockhebel wie bei meinem alten Mercedes-Benz 200 (Baujahr 1968) am Lenkrad. Wo sonst? Da bei vielen Autos dort oft der Hebel für den Scheibenwischer sitzt, „verschaltet“ man sich da ein, zwei Mal. Aber daran hat man sich schnell gewöhnt.

Der Mercedes-Benz EQV ist mit 204 PS natürlich deutlich dynamischer und zeigt sein Potential vor allem im Sport Modus. Für die Stärke der Rekuperation werden ständig die Schaltpaddel benutzt. Wir fahren meist in der höchsten Rekuperationsstufe – dann hat das Bremspedal Pause. Bei der ersten Testfahrt rund um Wien hatten wir einen Verbrauch zwischen 23 und 25 kWh. Das müssen wir jetzt unterbieten. Die Anzeige ist leider etwas ungenau – aber vermutlich stört das eher einen Tester, dass nur ganzzahlige Werte vom Bordcomputer ausgegeben werden. Aber: wenn man etwas sucht, dann gibt es einen Menüpunkt unter Laden, da wird auch eine Nachkommastelle angeben. Der Rundungsalgorithmus greift leider auch nicht, echte 22,5 kWh werden im Bordcomputer als 22 kWh angezeigt.

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Daten & Fakten

Mercedes-Benz EQV 300 lang Avantgarde Line

Leistung Elektromotor (kW / PS)

150 / 204  

Drehmoment (Nm)

362

Reichweite WLTP (km)

418

Stromverbrauch kombiniert WLTP (kWh/100 km)  

26,3

Zulässiges Gesamtgewicht (kg)

3.500

Anzahl Sitze

7 / 8

Batteriekapazität brutto / netto (kWh)

 90 / 100

10-80% (min)

45

Ladeleistung DC, CCS (kW)

110

Ladeleistung AC, Inboard (kW)

11

CO2-Emission (g/km)

0

Effizienzklasse

A+

Maximale Geschwindigkeit (km/h)

140 / 160

Ausstattung

3 IMG 8451 innenDer Mercedes-Benz EQV startet bei 71.388,10 Euro* — eine etwas krumme Zahl, aber egal. Mit Vollausstattung kam unser Testwagen (Kurzttest) auf über 93.000 Euro (16% MWSt beachten). Aber dann war auch alles verbaut, was gut und teuer ist. Der aktuelle Testwagen ist etwas sparsamer. Der Mercedes-Benz EQV landet am Ende bei über 92.000 Euro (s. Ausstattungsliste); beispielsweise kostet das Extra Avantgard Line 6.217,75 €. Weiterte Informationen siehe Mercedes-Benz EQV.

Auf die elektrisch verstellbaren Sitze (je 1.079 Euro) könnte man eventuell verzichten. Dafür würde ich vermutlich die elektrische Heckklappe (EASY-PACK Heckklappe ca. 750 Euro) ordern. Denn die Heckklappe ist schwer und schwingt hoch auf. Ideal wäre auch eine 230 Volt-Steckdose. Denn dann könnte man über ein Ladegerät schnell mal auch vier Geräte mit Strom versorgen.

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Der Mercedes-Benz EQV im Alltag

5 IMG 8521 Altes LandWir langweilen hoffentlich nicht mit dem Spruch: Besser Bus — aber dieses bringt es so perfekt auf den Punkt. Unser EQV ist als 6-Sitzer konfiguriert, sodass in der zweiten und dritten Reihe in der Mitte Platz ist für zusätzliches Gepäck, quasi das Bordgepäck. Man sitzt schön luftig und vor allem Kinder haben dann ihren eigenen Bereich. Gemütlich, praktisch, cool.

Einziger Kritikpunkt: es gibt keine USB-Anschlüsse. Denn bei sechs Personen an Bord, braucht bestimmt jemand Strom für ein Smartphone oder Tablet. Die 12 Volt-Steckdose rettet vielleicht auch nicht, weil der Adapter zu Hause liegt…

Elektrische Türen haben wir nicht vermisst – und damit schon mal etwa 1.700 Euro* gespart. Praktisch ist die kleine Heckklappe, die schnell geöffnet ist, wenn man mal nur kleine Teile schnell im Kofferraum unterbringen will.

Symbol

Modus

Fahrleistung

Drehmoment-  
­aufbau

Heizen / Kühlen

E+

maximale Reichweite

80 kW / 293 Nm

langsam

red. Leistung

E

Effizienz / Komfort

100 kW / 293 Nm

langsam

leicht red. Leistung  

C

max. Komfort / Agilität 

150 kW / 362 Nm 

dynamisch

volle Leistung

S

Sport

150 kW / 362 Nm

sportlich

volle Leistung

Es gibt noch einen Modus Lift, falls Airmatic als Extra vorhanden ist.

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Rekuperation

 

Stärke

Verzögerung

D–

max

-2,0 m/s2

D-

normal

-1,5 m/s2

D

schwach  

-0,6 m/s2

D+

segeln

0 m/s2

DAuto  

autom.

-2,0 bis 0 m/s

Lade(welt)meister

1 IMG 8474 ladenMit dem EQV ist man eigentlich immer entspannt unterwegs. Nach beispielsweise zwei bis drei Tagen „im Alltag“ on the Road und hat man immer noch 250 Kilometer Reichweite. Bei Toyota Proace mit maximal 350 Kilometer Reichweite (real 300 km) ist man schnell bei runter auf 150 km und plant den nächsten Ladestopp.

Natürlich haben wir ständig und überall geladen. Die Mercedes Ladekarte hat 100% überall funktioniert. Trotzdem würden auf jeden Fall noch mindestens zwei Ladekarte (EnBw, Maingau) ordern. Denn wenn die Ladekarte mal nicht funktionieren sollte, hat man noch einen Plan B und C „im Portemonnaie“. Außerdem gibt es immer noch Ladestationen, die man nur per App freischalten kann. 5 bis 6 kostenlose Lade-Apps sind somit quasi Pflicht.

An den High Power Charger (kurz: HPC) Ladern hat der EQV, wie erwartet, mit bis zu 108 kW geladen. Bei ungefähr 80% (State of Charge = SoC) immer noch mit etwa 77 kW (s.a. Ladehistorie).

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Navigation

4 IMG 8484 Laden NOHGut ist, dass das Navigationssystem sofort einen entsprechenden Lader sucht, wenn Reichweite und Entfernung zum Ziel nicht passen. Auch klasse ist, dass das System ebenfalls angibt, mit wieviel Prozent SoC man am Ziel ankommt. Das kannten wir schon von unserem Kurztest „Rund um Wien“. Es war aber bei unserem Testwagen nicht voreingestellt. Wir haben es dann in irgendeinem Untermenü gefunden.

Mit der Option „Ladestationen suchen“ zeigt das System die Lader im Umkreis an; Beispiel: Emsbüren, 2/2 (beide sind frei). Leider wird erst im Untermenü angezeigt, dass es hier ein 22 kW Lader ist.

Am Beispiel für die Fahrt Emsbüren – München sucht das Navigationssystem vier Ladestopps heraus. Am ersten Lader kommen wir mit 15% SoC an. Im Untermenü erhalten wir dann die Information: 28 Minuten Ladezeit und die Empfehlung: Laden bis 58%. Das macht einen guten Eindruck und deckt in etwa mit den Vorschlägen von A Better Routeplanner Routeplanner. Vier Pausen (16 + 31 + 19 + 27 Minuten) mit einer Ladezeit von insgesamt 1 h 33 min. Fahrzeit für 705 Kilometer mit Ladezeit (Pausen) von 8 h 20 min. Da kann man nicht meckern. Eigentlich müssten wir dringend mal nach München… Vielleicht mit dem Mercedes-Benz eVito?

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Long-Run

Ja, wir waren tatsächlich zwei Mal auf dem Long Run; wobei sogar Hamburg für den EQV eigentlich mit fast 300 Kilometern gar keine Herausforderung war. Hier wird der Unterscheid zum Toyota Proace deutlich. Da haben wir es gerade bis Bremen geschafft und mussten die Rückfahrt schon gründlich planen. Mit dem EQV müssen erst Strecken ab 300 Kilometern organisiert werden.

6 IMG 8541 Laden TelekomNatürlich haben wir den EQV vor Reisenantritt geladen und sind mit einer Reichweite von etwa 350 Kilometern gestartet und mit 32% SoC und 130 Kilometern Restreichweite im Alten Land angekommen. Eigentlich hätte das gereicht für die Fahrt am nächsten Tag nach Blankenese. Aber da wir Zeit hatten, haben wir einen kurzen Ladestopp bei einem Telekom 300 kW-Lader gemacht. Wenn vier Augen schauen und man sogar zweimal am Lader vorbeifährt, ist das nicht wirklich gut ausgeschildert. Durch Zufall haben wir dann im „Hinterhof“ ein Schild erspäht. Die Twitter-Community sagt: ja, es ist gut versteckt; aber da kann man gut spazieren gehen…

Am nächsten Tag haben wir in Blankenese dann mit 11 kW von 72 auf 100% geladen. Günstiges AC-Laden (0,29 Euro/kWh) und kostenloses Parken. Perfekt.

IMG 7334 IONITY h 250Am nächsten Tag haben wir direkt an der Elbe einen 11 kW Lader gefunden und dort auf 100% geladen. Für die Rückfahrt hatten wir dann die sensationelle Reichweite von 462 Kilometern angezeigt bekommen. Nach 296 km hatten wir noch eine Restreichweite von 97 Kilometern, sodass wir auf eine echte Reichweite von 393 Kilometern gekommen sind. Wichtig zu erwähnen ist, dass wir natürlich sparsam unterwegs waren – meist mit etwa 110 km/h, nur während des Überholens haben wir es mal kurz auf 130 km/h geschafft. Wir konnten einen Schnitt von 22,4 kWh/100 km notieren. Ein respektabler Wert für einen 8-Sitzer VAN, der zwar nur mit zwei Personen und Wochenend-Gepäck „beladen“ war.

Die Fahrt nach Leer (120 km) war natürlich auch keine Herausforderung. Vor der Fahrt waren wir gar nicht „tanken“ gewesen, da wir ja noch 269 km Reichweite hatten. In Leer haben wir natürlich einen citynahen 11 kW-Lader gesucht. Und oh Wunder: es gab mehr Lader als eAutos. Vor allem am Landkreishaus Leer. Insgesamt 48 Lademöglichkeiten. Leider nur ein 50-kW-Lader (EnBw-App), da gibt es noch Verbesserungsbedarf. In Leer haben wir eine 3-Stündige Pause eingelegt: Sightseeing und Laden – um dann mit zirka 150 Kilometern zusätzlicher Reichweite in Richtung Heimat zu können. Dann konnten wir auch mal mit 130 bis 140 km/h auf der A31 flott nach Hause fahren. Ein Tagespensum von fast 300 Kilometern war erreicht mit einem Verbrauch von 28 kWh/100 km.

Hier noch einmal ein Statement zum Thema 11 kW-Lader: das hat in Leer perfekt geklappt, weil etwa 150 zusätzliche Reichweite genügt hat. „Dankbar“ wäre man aber, wenn man in der Zeit 300 Kilometer hätte laden können. Ladestopps auf dem Rückweg müssen kurz sein oder besser noch ganz vermieden werden, weil man dann in der Regel müde ist und schnell nach Hause will. Da können 20 Minuten Ladestopp dann schon lang sein.

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Kraftstoffverbrauch

7 IMG 8594 Verbrauch 16kWhKlar ist, dass ein 3,5-Tonner 8-Sitzer nicht mit 15 kWh/100 km bewegt werden kann. Und wichtig ist, dass man häufig im Modus E oder E+ unterwegs ist. Ein Kollege auf Twitter wundert sind, dass wir den EQV so sparsam fahren. Er selbst landet selten unter 30 kWh/100 km. Ebenfalls eindeutig ist, wenn man mit 6 und mehr Personen unterwegs ist und man den ganzen Bus kühlen oder heizen muss, dass diese Situation das gute Gesamtergebnis verhagelt. Und ganz einleuchtend ist, dass man bei einer riesigen Fläche nicht ständig 150 oder 160 km/h fahren sollte.

Das Motto für Elektroautofahrer gilt hier besonders: langsam kommt man schneller ans Ziel. Aber auf dem Long-Run mit unter 23 kWh/100 km unterwegs zu sein, das kann sich sehen lassen.

So testen wir auf der aom-Vergleichsrunde.

Modus 

Strecke [km]  

Geschw. [km/h]  

Verbrauch [kWh/100km] 

aom-
Vergleichsrunde

55

63

23

Super-Spar

15

64

19,5

Landstraße sparsam  

37

58

22,5

Landstraße sportlich

35

73

26,1

Landstraße 1

60

57

21,7

Landstraße 2

60

51

17,7

Landstraße 1+2

120

BAB 100

20

98

22,8

BAB 130

20

123

30,6

BAB, Landstraße

296

22,4

Stadt

16

27

18,6

Pendler

30

35

18,7

Ladestopps s. Ladehistorie

Testverbrauch nach 1.910 km, 47 km/h, 22 kWh/100 km

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Pro & Contra

+

Großer 8-Sitzer VAN mit ausreichender Reichweite.

+

Ladefähig bis 110 kW, auch ab 80% mit 77 kW.

Leider nur 11 kW-Inboard AC Loader.

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Fazit

3 IMG 6187 hintenDer gute Eindruck, den wir auf dem Kurztest „Rund um Wien“ hatten, konnte sich im 2-Wochen-Test verfestigen. Natürlich ist der Mercedes-Benz EQV mit über 90.000 Euro kein Schnäppchen. Aber man bekommt eine alltagstaugliche Großlimousine mit einer guten Reichweite.

Was wichtig wäre: die Ladeleistung auf 150 kW zu erhöhen und auch 22 kW-AC Laden wäre ideal. Denn gerade dann, wenn man einen kurzen Zwischenstopp macht und man nur einen AC-Lader erwischt, bringen 22 kW in einer Stunde immerhin etwa fast 100 Kilometer Reichweite.

Ausblick

8 IMG 8678 IONITYIm Oktober freuen wir uns auf den Mercedes-Benz eVito (ab 64.000 Euro). Ein Long-Run nach Heiligenhafen (ca. 400 Kilometer) ist geplant. Da werden wir auf jeden Fall einen kurzen (ca. 35 Minuten) „Tankstopp“ planen.

Das nächste eAuto ist drei Nummern kleiner: der Honda e. Ist er nur City-Flitzer oder kann er mehr? Wir geben die Antworten. Dann kommt der Volvo XC40 Recharge, Hyundai Kona Elektro und im September der VW ID.4. Das Jahr 2021 elektrisiert weiterhin- und das ist auch gut so! Wie sagt das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) so schön: Die Zukunft fährt elektrisch!

Übrigens, am nächsten Wochenende haben wir den Hyundai IONIQ 5 im Kurztest. Aber nach etwa 400 Kilomtern können wir sicher schon verlässliche Aussagen zum Thema Verbrauch und Ladefähigkeit machen.

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* Alle Preise ohne Gewähr, Stand: 06-2021.

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Fotos © 2020-2021 Redaktionsbüro Kebschull

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