Eine Chance für den Diesel?
Bosch Diesel-Durchbruch: Ihre Fragen beantwortet
- Neuer Bosch-Dieselprototyp emittiert nur 13 Milligramm NOx pro Kilometer.
- Warum basiert die Revolution auf vorhandener Technik?
- Wann wird der neue Antrieb in Fahrzeugen verbaut sein?
Bosch hat einen entscheidenden Durchbruch bei der Dieseltechnik erzielt. Die Dieseltechnik von Bosch kann heute schon für ein Auto der Golf-Klasse einen Durchschnittswert von 13 Milligramm NOx pro Kilometer bei RDE-Fahrten erreichen. Das ist gerade mal ein Zehntel des ab 2020 gültigen Grenzwertes. Der Clou: Die Bosch-Entwickler haben vorhandene Technik weiter verfeinert. Zusätzliche Komponenten, die die Kosten erhöhen würden, sind nicht erforderlich. „Wir verschieben die Grenzen des technisch Möglichen. Mit der neuesten Bosch-Technik wird der Diesel emissionsarm und bleibt bezahlbar“, sagt Bosch-Chef Dr. Volkmar Denner.
Die Meldung zur Vorstellung der Technik auf der Bilanzpressekonferenz von Bosch mit einer weiteren Einordnung der Technik finden Sie hier. Im Folgenden beantworten wir Fragen, die sich in Gesprächen mit Journalisten ergeben haben.
Wann ist die Dieseltechnik verfügbar und für Kunden zu kaufen?
Der neue Bosch-Dieselantrieb basiert zum größten Teil auf am Markt verfügbaren bzw. seriennahen Komponenten. Er steht den Kunden für die Serienentwicklung damit ab sofort zur Verfügung. Teile der Technik sind bereits bei einigen neuen Fahrzeugen in Serie, die auch schon sehr gute Ergebnisse zeigen. Die nun in den Versuchsträgern vorgestellte Technik kann aus Sicht von Bosch in zwei bis drei Jahren Standard sein – bis dahin werden sich Dieselfahrzeuge der Marke von 13 Milligramm NOx pro Kilometer im RDE-Test schrittweise annähern. Hierfür hat Bosch bereits viele Erkenntnisse aktiv in seine 300 RDE-Projekte mit Fahrzeugherstellern eingebracht und wird das auch mit den neuesten Fortschritten tun.
Sie sprechen von einer Revolution, aber sagen gleichzeitig es sind nur seriennahe Teile verbaut. Wie passt das zusammen?
Die Dieseltechnik von Bosch basiert auf vorhandenen und seriennahen Komponenten. Der entscheidende Fortschritt basiert auf einer intelligenten Kombination aus Motoroptimierung und Abgasnachbehandlung – hierfür waren viele kleine Detailverbesserungen notwendig, die aufeinander abgestimmt werden mussten. Zusätzliche Komponenten, die den Preis des Antriebs erhöhen, sind damit nicht notwendig. Jedoch muss das Fahrzeugkonzept grundsätzlich Euro6d temp beziehungsweise Euro6d geeignet sein – also beispielsweise ein SCR-AdBlue-System an Bord haben. So wird der Diesel emissionsarm, behält seinen CO2-Vorteil und bleibt trotzdem auch in Fahrzeugen der Kompaktklasse für Autofahrer bezahlbar.Wenn Bosch hier größtenteils bestehende Hardware verbaut, wieso kommt die Technik dann erst jetzt und nicht schon vor ein paar Jahren?
Gerade die neue Art der RDE-Tests, hat in der Entwicklung nochmals wichtige Erkenntnisse ermöglicht. Dazu brauchte es jedoch erst einmal zuverlässige Messtechnik, um Fahrzeug-Emissionen überhaupt im Straßenverkehr ermitteln zu können. Das erste zuverlässige Portable Emission Measurement System (PEMS) für Pkw ist seit 2013 verfügbar – seitdem lässt sich überhaupt erst detailliert nachvollziehen, wo die tatsächlichen Entwicklungsschwerpunkte liegen müssen und welche Fahrsituationen besonders herausfordernd sind. Die Tests auf der Straße wirkten wie ein Katalysator der Entwicklung.
Was bedeutet diese Technik für die Luftqualität in Städten?
Hierzu hat Bosch bei einem unabhängigen Ingenieurbüro eine exakte Analyse beauftragt. Als Beispiel dient der Luftqualitäts-Brennpunkt am Stuttgarter Neckartor. Das Ergebnis der Datenanalyse ist eindeutig: Hätten alle Dieselfahrzeuge den neuesten Stand der Bosch Abgastechnik an Bord, wäre ihr Anteil an den Immissionen vor Ort vernachlässigbar und die von der EU geforderten Emissions-Grenzwerte könnten auch am Neckartor sicher unterboten werden.
Ist die neue Bosch-Dieseltechnik auch nachrüstbar?
Es ist zu beachten, dass der Erfolg des Bosch Demonstrator-Fahrzeugs erst durch die Kombination von verschiedenen Maßnahmen im Gesamtpaket ermöglicht wird. Insofern macht das Nachrüsten einzelner Komponenten wenig Sinn. So muss das Fahrzeugkonzept grundsätzlich Euro6d temp beziehungsweise Euro6d geeignet sein – also beispielsweise ein SCR-AdBlue-System an Bord haben.
Was zeichnet die neue Dieseltechnik im Detail aus?
Zwei Einflüsse waren bisher kritisch für die Reduktion der Stickoxid-Emissionen in Dieselfahrzeugen. Das eine ist der Fahrereinfluss. Bosch hat mit einem reaktionsschnellen Luftsystem des Motors das technische Gegenmittel gefunden. Je dynamischer die Fahrweise, desto dynamischer muss auch die Abgasrückführung sein. Möglich wird dies unter anderem durch Turbolader, die schneller ansprechen als bisher. Und mit der Kombination von Hoch- und Niederdruck-Abgasrückführung wird das Luftsystem nochmals flexibler. Somit kann der Fahrer zügig anfahren, ohne dass die Emissionen stark steigen. Ebenso wichtig ist der Einfluss der Temperaturen. Für eine optimale Stickoxid-Konvertierung müssen die Abgase mehr als 200 Grad heiß sein – eine Temperatur, die gerade bei Stadtfahrten oft nicht erreicht wird. Hier setzt Bosch auf ein ausgeklügeltes Thermomanagement des Dieselmotors. Bosch steuert jetzt aktiv die Abgastemperatur: die Abgasanlage bleibt damit so warm, dass sie in einem stabilen Temperaturbereich arbeitet und die Emissionen auf niedrigem Niveau bleiben.Kommt die Technik nicht zu spät um Fahrverbote zu verhindern?
Um Luftqualitätsgrenzwerte an Brennpunkten wie dem Neckartor einzuhalten, braucht es ein Bündel an Maßnahmen – diese schließen reduzierte Emissionen von Fahrzeugen genauso ein, wie Maßnahmen, die den Verkehrsfluss verstetigen. All dieses gilt es nun auszuschöpfen, um Fahrverbote zu vermeiden. Bezogen auf den Diesel: Bereits durch die normale Flottenerneuerung werden die Stickoxid-Immissionen weiter sinken. Nach unserem Durchbruch sind wir sicher: Dem Selbstzünder wird in Zukunft niemand die Einfahrt in die Städte pauschal verbieten können – er wird seinen Platz auch im urbanen Verkehr behalten, ob für Handwerker oder Pendler.
Ist diese komplexe Technik auch noch in der Kompaktklasse bezahlbar?
Bosch geht davon aus, dass die Kosten für das Antriebssystem in etwa vergleichbar mit einem heutigen Dieselantrieb sein werden, der ein SCR-AdBlue-System an Bord hat. Der neue Dieselantrieb wurde in einem Kompaktklasse-Fahrzeug vorgestellt – auch das ist ein Statement. Bosch sieht den breiten Markt für Diesel in Zukunft bei Fahrzeugen, die einen Hubraum von etwa 1,6 Litern haben. Das schließt die Kompaktklasse mit ein. Natürlich lässt sich das System auch auf größere Fahrzeugklassen, wie beispielsweise SUV skalieren.
Wie verändert sich der AdBlue-Verbrauch?
Der AdBlue-Verbrauch des Versuchsfahrzeugs liegt bei etwa einem bis 1,5 Litern pro 1 000 Kilometern – auch bei dynamischer Fahrweise.
Wie verändert sich der Kraftstoff-Verbrauch?
Ziel der Entwicklung war es, den CO2-Vorteil des Diesels und damit den niedrigeren Kraftstoffverbrauch im Vergleich zum Benziner zu erhalten. Dies ist gelungen. Das Bosch-Versuchsfahrzeug verbraucht nicht mehr Kraftstoff als vergleichbare Diesel.
Wie hoch war der Entwicklungsaufwand für die neue Dieseltechnik?
Insgesamt haben in den vergangenen Jahren rund 100 Entwickler an der neuen Technik gearbeitet. Die Entwicklungskosten lagen bei einer zweistelligen Millionensumme.
Fazit
Ich bin nach wie vor davon überzeugt, dass wir einen Antriebmix brauchen: Elektromobilität, PlugIn-Hybrid, Diesel, Benziner, LPG, CNG, Wasserstoff. Denn wenn morgen mehr als 1 Millionen Elektroautos auf der Straßen wären, geben es Staus ohne Ende an den Ladestationen. Wir brauchen den Blick nach vorn, aber mit Bedacht.
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