Felix Sutschek

Opel Astra OPC

Veröffentlicht am: 23. November 2012Von
Felix Sutschek11-2012 – Der Astra GTC OPC ist mal wieder ein Vertreter der Kompaktsportler. Kleine oder mittelgroße mehr oder minder langweilige Alltagsautos werden mit einem deutlichen Leistungsplus versehen und als Sportwagen verkauft. Klappt beim VW Golf GTI seit Jahrzehnten recht gut, und von diesem Imagegewinn versucht auch Opel sich ein Scheibchen abzuschneiden.


Galasportler und Maßathlet

Felix SutschekDie Eckdaten passen schon, 280 PS sind eine Ansage. Damit kämpft der Astra OPC in einer Liga mit Golf R , Scirocco R und Focus RS . Er hat auch den gleichen Nachteil wie die meisten dieser Konkurrenten: den Frontantrieb! Toll! Wieder mal ein Mittelklasse-Autochen das vor lauter Leistung nicht vernünftig geradeaus rennen kann – oder? Mal schaun!

Optische Sportlichkeit, riesen Maul

Aber erst mal von außen begutachten. Der Astra GTC sieht an sich schon sportlich aus, als OPC kommt da noch einiges an optischer Sportlichkeit hinzu. Riesen Maul in der Front, Lufteinläufe für die Bremsen, 18-Zoll Räder und ein großer Heckflügel verleihen ihm eine durchaus gestreckte, sportliche Linie. Hinten mit zwei riesigen schön eingearbeiteten Auspuffendrohren die einen Diffusor einrahmen. Bei weitem nicht so auffällig und aggressiv wie der Focus RS, aber durchaus ansehnlich. Eher der Athlet im Maßanzug.

Innen mehr als nur ein Hauch an Sportlichkeit. Das Lenkrad ist unten abgeflacht und schön griffig. Die Schalen-Sitze sind extrem gut. In alle Richtungen verstellbar schaffen sie auf unerklärliche Weise den Spagat zwischen „fast schon Schraubstock“ und „Wohnzimmer-Fauteuille“. Genial. Damit ist man perfekt gerüstet für die ewige Autobahnetappe oder die Hatz auf dem Rundkurs.

Die Mittelkonsole ist mit vielen Knöpfen versehen, die Verarbeitungsqualität ist sehr gut. Weit, weit entfernt sind die Zeiten, in welchen Opel noch als „nicht Premium“ bezeichnet werden konnte. Das einzige was nicht wirklich zum Anspruch des Astra OPC passen will, ist der Zündschlüssel. Zwar mit OPC drauf, aber irgendwie wirkt der unpassend. Also schnell weg damit ins Zündschloss und ab geht’s.

Ein seltsam vertraut klingendes Anlassergeräusch weckt das Biest. Dumpfes Grollen lässt vernehmen, dass es wach ist. Ein Schauer läuft den Rücken runter. Da wollen gleich 280 PS an der Vorderachse zerren. Kupplung treten, ersten Gang rein und ab geht’s. Schon auf den ersten Metern fällt auf, wie aufgeweckt der OPC ist. Zieht aus dem Drehzahlkeller schon munter hoch. Lässt sich aber sehr angenehm und frei von nervigem Geschüttel untertourig fahren. 

Gemütlich auf dem Weg zur Reinkarnation!

Dass man die Gänge des OPC noch auf die klassische Art einlegen muss, wirkt fast schon wie ein Anachronismus. Bei derart ambitionierten Autos geht man heutzutage fast zwangsläufig von einem irgendwie gearteten, sportlich abgestimmten automatisierten Getriebe aus. Hier nicht. Selbst ist der Mann. Auch gut, dann weiß ich wenigstens immer in welchem Gang ich bin ohne auf ein Display schaun zu müssen. Aufregen über eine völlig „bescheuerte“ Schaltlogik, die nicht macht, was ich will, muss ich mich dann auch nicht. Das wird also ein ganz ganz wunderbarer Tag.

Auf der Schnellstraße spielen wir noch mit den Einstellungen für „Sport“ und „OPC“. Wie sich das „sportliche Motoransprechverhalten“ wirklich äußert, ließ sich nicht erfahren. Aber der Unterschied im Fahrwerk von „Normal“ nach „Sport“ nach „OPC“ ist enorm. Im normalen Betrieb ist der Astra OPC voll alltagstauglich. Fährt ganz normal, ja gut, schubig, aber „normal“. Etwas härter als ein normaler Astra, aber dank der richtig bequemen Sitze gut zu ertragen.

Wer dann die Taste „Sport“ betätigt, braucht schon Nehmer-Qualitäten. Jetzt kommen kurze Schläge schon stätig durch, Fugen an Autobahnbrücken oder Spurrillen werden zum Plombenfeind. Angesichts dieser Veränderung jetzt noch die Taste „OPC“ zu betätigen, hat schon etwas masochistisches. Die Tacho-Hintergrundbeleuchtung wechselt nach rot! Jetzt ist die Karre so hart, dass man Angst haben muss, jedes Mal einen blauen Fleck zu bekommen wenn das Auto eigentlich federn sollte. Wir finden die Einstellung aber genial!

Auf geht zu unserer eigentlichen Teststrecke. Dem Fahrsicherheitszentrum des ADAC in Augsburg. „OPC“ kann also vorgewählt bleiben, schließlich wollen wir ja die Sportgene des Opel Astra OPC testen. Das lässt sich auch schnell und einfach auf den Punkt bringen: Besser als alle Fronttriebler, die wir hier bisher getestet haben.

Das hohe Gewicht lässt sich nicht ganz leugnen. Die Winterreifen sind auch kontraproduktiv. ABER: ich habe noch NIE einen Fronttriebler erlebt, der so viel Traktion aufbauen kann. Das Sperrdifferential leistet ganze Arbeit. Selbst wenn man die Traktionskontrolle ausschaltet und dem Astra die Sporen gibt, ist immer Vortrieb da.

Stellen wir uns folgendes vor: Ich will auf eine „Hauptstraße“ auffahren, aus meiner Hofeinfahrt. Ich stehe da und schau ob rechts oder links ein Auto kommt. Traktionskontrolle ist aus, die Räder schon in die entsprechende Richtung eingeschlagen. Lücke erkannt! Feuer frei, beschleunigen! Bei einem normalen Fronttriebler würde jetzt das kurveninnere Rad hilflos quietschend viel Qualm erzeugen, aber wirklich schnell Vorwärts käme man nicht. Anders beim Astra OPC. Da quietscht nix, es geht nur brutal vorwärts. Gut, Schlupf ist schon da, aber das Sperrdiff verteilt die Kraft auf beide Räder. Damit schießt der Astra OPC aus engen Kehren fast so gut wie ein Allradler. 

Ich bin geläutert

Jetzt verstehe ich, wieso manche auf die Idee kommen, mit Fronttrieblern Rallye zu fahren (s.a. Opel und Motorsport ). So geht das. Dass bei zu schnellem Einfahren in die Kurve ein untersteuern da ist, macht den Astra OPC auch für die breite Masse berechenbarer, dass er eigentlich keine Lastwechselreaktion zeigt, macht ihn für die meisten Kraftfahrer sympathischer. Zwar schiebt er in Grenzsituationen auch, allerdings nicht wie andere nur mit dem Heck, sondern mit allen vieren. Nett zu fahren. Spaß ohne Ende.

Der Sound dabei ist Geschmackssache. Untertourig brummt er schön sonor, aber nicht laut vor sich hin. Mit etwas mehr Drehzahl wird das tiefe Motorgeräusch etwas lauter. Aber wehe man erreicht den magischen Drehzahllustpunkt: der ist irgendwo zwischen 3500 und 4000 Umdrehungen. Abgesehen von dem Inferno an Vortrieb ist die Soundkulisse jetzt eine gänzlich andere. Jetzt faucht das Biest böse vor sich hin und zeigt mir akustisch, dass es voll bei der Sache ist. Es hat ein bisschen was von einem bösen Tiger den man vor einen Schlitten spannt.

Zum Glück können wir die Rückfahrt über die Schnellstraße fahren. So bleibt noch etwas Zeit um von diesem einschneidenden Erlebnis runterzukommen. Beruhigen ist angesagt. Eindrücke sortieren und wirken lassen. Ich bin bekehrt. Fronttriebler können nicht nur Spaß machen, sondern auch richtig richtig viel Spaß machen. Und das hier, ist der Beste, den ich bisher fahren durfte. Danke, Opel! Danke ADAC FSZ Augsburg!

Fazit: Kaufen! Kaufen! Kaufen! Bester Fronttriebler den man derzeit als Normalo erwerben kann!

Fotos © 2012 Redaktionsbüro Kebschull, Logo © ADAC

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