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ID.3 Pro S – 602 km weit?

Veröffentlicht am: 21. Oktober 2021Von
ID3 Berge 150Er hat es wieder getan: Felix Egolf kitzelt aus dem ID.3 Pro S das Maximum heraus und legt, ohne nachzuladen, 602 Kilometer und über 13 000 Höhenmeter zurück. Der Start erfolgt in Cham: Vollgeladen steht ein ID.3 Pro S vor dem Hauptsitz der AMAG.

 

531 Kilomter ohne Laden!

Felix Egolf und der ID.3, da war doch mal was? Genau, es war der Zuger Hypermiler, der im Juli 2020 das erste Modell des elektrischen Kompaktwagens vom Volkswagen Werk in die Schweiz fuhr – und dabei gleich einen Rekord aufstellte. Der ID.3 1STEdition war mit der mittleren, 58 kWh starken Batterie ausgerüstet, die über eine theoretische Reichweite von 420 Kilometern (gemäss WLTP) verfügt. Die Strecke von Zwickau (D) nach Schaffhausen betrug jedoch 531 Kilometer, und das Fahrer-Auto-Gespann legte diese ohne Nachladen zurück.

Inzwischen gibt es für den ID.3 eine noch leistungsstärkere Batterie, mit 77 kWh für bis 539 Kilometer Reichweite. Und klar reizt es da Felix Egolf, aus dieser ebenfalls mehr als das Maximum herauszukitzeln. Denn das ist es, was Hypermiler tun: mit möglichst wenig Verbrauch möglichst weit fahren.

Doch dieses Mal ist nicht das Ziel, im Flachen so viele Kilometer wie möglich abzuspulen. Nein, beim neuen Rekordversuch will der ehemalige Linienpilot der Swiss Berge bezwingen. Und zwar im wortwörtlichen Sinn: Er hat eine Route zusammengestellt, die 15 Schweizer Pässe beinhaltet und über 600 Kilometer führt. Der tiefste Pass ist der Hirzel mit 682 Metern, der höchste der Nufenen mit 2480 Metern über Meer.

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Ladeklappe von Notar versiegelt

Der Start erfolgt in Cham: Vollgeladen steht ein ID.3 Pro S vor dem Hauptsitz der AMAG. Damit alles seine Richtigkeit hat, ist ein Notar zugegen, der die Versiegelung der Ladeklappe beglaubigt. Auch das Gewicht von Auto, Fahrer und Gepäck wird festgehalten: 1925 Kilogramm. Und schon setzt sich das Elektromobil fast lautlos in Bewegung.

Via Luzern und das Entlebuch fährt Felix Egolf über den Brünig, danach wartet bereits der erste Zweitausender auf der Route: der Grimsel. Für die knapp 1600 Höhenmeter und 26 Kilometer von Innertkirchen bis auf die Passhöhe werden gleich einmal 12 kWh verstromert, was 16 Prozent der Batteriekapazität entspricht. Ob sich das mit den 15 Pässen tatsächlich ausgeht?

Nach einer kurzen Abfahrt folgt eine rund 100 km lange, hochalpine Runde mit knapp 3000 Höhenmetern und den Pässen Furka (2430 m), Gotthard (2108 m) und Nufenen (höchster Pass mit 2480 m). Diese Fahrt rund um das Gotthard-Massiv «kostet» lediglich 14 kWh. Die Erklärung:

Der E-Motor wird dabei zum Generator, der die Batterie speist. Durch die sogenannte Rekuperation fliessen auf diesen 100 Kilometern rund 8 kWh in die Akkus.

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Vorausschauend fahren ist wichtig

Anhand des Automatik-Wählschalters kann der Fahrer selbst bestimmen, wie stark die Rekuperation ausfallen soll: Nimmt man in «D» (für «Drive») den Fuß vom Gas, ist diese bereits deutlich spürbar, in «B» (Brake) geradezu vehement. Der ID.3 hilft übrigens tatkräftig mit, Energie zu sparen: Er verfügt über einen vorausschauenden Tempomaten, der vor Kreiseln oder einer Temporeduktion selbstständig verlangsamt und rekuperiert.

Fällt die Strecke nur leicht ab, ist das «Segeln» am effizientesten. Felix Egolf schaltet dazu in den Modus «N», also in den Leerlauf, und nimmt so den ganzen Schwung mit. «Dank seiner guten Aerodynamik verfügt der ID.3 über ausgezeichnete Rolleigenschaften», lobt der Hypermiler den Elektro-VW. Erst kurz vor einer Kurve stellt er den Hebel wieder auf B oder D. In diesen weiss der ID.3 ebenfalls zu überzeugen – mit tiefem Schwerpunkt und sehr kleinem Wendekreis flitzt er richtiggehend um die engen Kehren.

Nach einer zweiten Furka- und Gotthard-Passage geht’s länger bergab: Zügig fährt der ID.3 die Leventina hinunter zum südlichsten und tiefsten Punkt der Tour in Biasca (300 m). Das hat positive Auswirkungen auf den Batteriestand: Die 63 Kilometer vom Gotthardpass bis Acquarossa im Bleniotal werden mit null Verbrauch zurückgelegt. Um anschliessend den Aufstieg zum Lukmanier in Angriff zu nehmen.

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Konstanz bringt Reichweite

Auch bergauf hat Felix Egolf Energiespar-Tricks parat. Das Wichtigste: möglichst gleichmäßig unterwegs zu sein. Denn starkes Beschleunigen und Verzögern zwischen Kurven kostet übermässig viel Strom. So versucht er jeweils, konstant mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von rund 45 Stundenkilometern hochzufahren. Was einen weiteren Vorteil hat: Es bleibt genügend Zeit, um die atemberaubenden Panoramen auf einigen der schönsten Strassen der Schweiz zu geniessen.

5 IMG 9905 Laden 350Trotz aller Effizienzanstrengungen meldet sich 10 Kilometer vor der Passhöhe des Lukmaniers der Bordcomputer und mahnt den Fahrer, bald einen Ladestopp einzulegen. Doch dem Hypermiler macht das keine Angst. «Wer die Höhe hat, hat auch die Tiefe», meint er lachend. Will heissen: Wo es hochgeht, geht es auch wieder hinab, und die Batterie erhält zusätzliche Kilowattstunden – laut den Berechnungen von Felix Egolf 1 Prozent Ladung pro 300 Höhenmeter.

Nach 421 Kilometern und 11 Pässen erreicht er am Abend das Dorf Hospental. Der ID.3 zeigt eine Restkapazität von 14,63 kWh oder 19 Prozent an. Beim Begleitfahrzeug (welches Auto?) hingegen ist der Tank nach den vielen Höhenmetern leer – Benzin nachfüllen ist angesagt.

Am nächsten Morgen verlassen wir die Alpen und fahren Richtung Schwyz. Das heisst vor allem: Segeln. Auf der Autobahn «versteckt» sich Felix Egolf regelmässig hinter Lastwagen, um vom Windschatten zu profitieren – natürlich stets mit genügend Sicherheitsabstand. Bis Flüelen wird auf diese Weise keine weitere Energie verbraucht. Dafür umso mehr hoch zur Ibergeregg (1406 m). Kurz vor dem Scheitelpunkt wechselt die Batterieanzeige von gelb auf rot, der Ladestand ist auf unter 10 Prozent gesunken. Spätestens jetzt beginnt die Rechnerei.

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Mit Anzeige 0 am Ziel

Auf dem letzten Pass und nach 550 Kilometern Distanz zeigt das Display des ID.3 gar nur noch 2 Prozent an. Diese Energie wandelt der Hypermiler mit einer geschickten Routenwahl in weitere 52 Kilometer um. Mit 0 Prozent Batterie und 0 Kilometer Reichweite erreicht Felix Egolf wieder den Startort, wo bereits der Notar wartet und die Unversehrtheit des Tanksiegels bestätigt.

Kommentar

Schöne Geschichte, gute Leistung. Genau solche Storys wollen wir überzeugten Elektromobilisten lesen. Aber mit 45 km/h die Pässe rauf, ist nicht realitätsnah – die armen „Hintermänner“.

Wichtig wäre mal ein Long-Run von Flensburg nach Mittenwald, als Vergleichsfahrt mit einem IONIQ 5, Tesla Model 3, Mustang Mach-E und Polestar 2. Da würden wir erleben, die Elektroautos mit ihrer Reichweite sind nicht das Problem, sondern die teilweise marode oder nicht vorhandene Ladeinfrastruktur. Ich würde mich freuen, wenn ich nicht Recht behalten sollte,

Linktipps

Fotos © 2021 Volkswagen Presse, © 2021 Redaktionsbüro Kebschull

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