Fahrbericht – Mercedes-Benz EQV

Mercedes-Benz wird elektrisch

Beim direkten Umstieg vom Toyota Proace auf den Mercedes-Benz EQV wird deutlich: beim Proace wurde schon „gespart“, damit das Auto mit etwa 66.000 Euro angeboten werden kann. Der Mercedes-Benz ist stärker (204 PS), hat mehr Reichweite (brutto: 100 kWh), ist hochwertiger ausgestattet. Das hat natürlich seinen Preis – und bei über 90.000 Euro hat, gerade bei Familien mit mehr als drei Kindern, der Toyota Proace (s.a. Fahrbericht – Toyota Proace Verso Elektro) (baugleich mit dem Citroën ë-SpaceTourer und dem PEUGEOT e-Traveller) vermutlich die Nase vorn.

Dann mal los

Der Mercedes-Benz EQV ist mit 204 PS natürlich deutlich dynamischer und zeigt sein Potential vor allem im Sport Modus. Für die Stärke der Rekuperation werden ständig die Schaltpaddel benutzt. Wir fahren meist in der höchsten Rekuperationsstufe – dann hat das Bremspedal Pause. Bei der ersten Testfahrt rund um Wien hatten wir einen Verbrauch zwischen 23 und 25 kWh. Das müssen wir jetzt unterbieten. Die Anzeige ist leider etwas ungenau – aber vermutlich stört das eher einen Tester, dass nur ganzzahlige Werte vom Bordcomputer ausgegeben werden. Aber: wenn man etwas sucht, dann gibt es einen Menüpunkt unter Laden, da wird auch eine Nachkommastelle angeben. Der Rundungsalgorithmus greift leider auch nicht, echte 22,5 kWh werden im Bordcomputer als 22 kWh angezeigt.

Daten & Fakten
Mercedes-Benz EQV 300 lang Avantgarde Line |
|
Leistung Elektromotor (kW / PS) |
150 / 204 |
Drehmoment (Nm) |
362 |
Reichweite WLTP (km) |
418 |
Stromverbrauch kombiniert WLTP (kWh/100 km) |
26,3 |
Zulässiges Gesamtgewicht (kg) |
3.500 |
Anzahl Sitze |
7 / 8 |
Batteriekapazität brutto / netto (kWh) |
90 / 100 |
10-80% (min) |
45 |
Ladeleistung DC, CCS (kW) |
110 |
Ladeleistung AC, Inboard (kW) |
11 |
CO2-Emission (g/km) |
0 |
Effizienzklasse |
A+ |
Maximale Geschwindigkeit (km/h) |
140 / 160 |
Ausstattung

Auf die elektrisch verstellbaren Sitze (je 1.079 Euro) könnte man eventuell verzichten. Dafür würde ich vermutlich die elektrische Heckklappe (EASY-PACK Heckklappe ca. 750 Euro) ordern. Denn die Heckklappe ist schwer und schwingt hoch auf. Ideal wäre auch eine 230 Volt-Steckdose. Denn dann könnte man über ein Ladegerät schnell mal auch vier Geräte mit Strom versorgen.

Der Mercedes-Benz EQV im Alltag

Einziger Kritikpunkt: es gibt keine USB-Anschlüsse. Denn bei sechs Personen an Bord, braucht bestimmt jemand Strom für ein Smartphone oder Tablet. Die 12 Volt-Steckdose rettet vielleicht auch nicht, weil der Adapter zu Hause liegt…
Elektrische Türen haben wir nicht vermisst – und damit schon mal etwa 1.700 Euro* gespart. Praktisch ist die kleine Heckklappe, die schnell geöffnet ist, wenn man mal nur kleine Teile schnell im Kofferraum unterbringen will.
Symbol |
Modus |
Fahrleistung |
Drehmoment- |
Heizen / Kühlen |
E+ |
maximale Reichweite |
80 kW / 293 Nm |
langsam |
red. Leistung |
E |
Effizienz / Komfort |
100 kW / 293 Nm |
langsam |
leicht red. Leistung |
C |
max. Komfort / Agilität |
150 kW / 362 Nm |
dynamisch |
volle Leistung |
S |
Sport |
150 kW / 362 Nm |
sportlich |
volle Leistung |
Es gibt noch einen Modus Lift, falls Airmatic als Extra vorhanden ist.

Rekuperation
Stärke |
Verzögerung |
|
D– |
max |
-2,0 m/s2 |
D- |
normal |
-1,5 m/s2 |
D |
schwach |
-0,6 m/s2 |
D+ |
segeln |
0 m/s2 |
DAuto |
autom. |
-2,0 bis 0 m/s2 |
Lade(welt)meister

Natürlich haben wir ständig und überall geladen. Die Mercedes Ladekarte hat 100% überall funktioniert. Trotzdem würden auf jeden Fall noch mindestens zwei Ladekarte (EnBw, Maingau) ordern. Denn wenn die Ladekarte mal nicht funktionieren sollte, hat man noch einen Plan B und C „im Portemonnaie“. Außerdem gibt es immer noch Ladestationen, die man nur per App freischalten kann. 5 bis 6 kostenlose Lade-Apps sind somit quasi Pflicht.
An den High Power Charger (kurz: HPC) Ladern hat der EQV, wie erwartet, mit bis zu 108 kW geladen. Bei ungefähr 80% (State of Charge = SoC) immer noch mit etwa 77 kW (s.a. Ladehistorie).

Navigation

Mit der Option „Ladestationen suchen“ zeigt das System die Lader im Umkreis an; Beispiel: Emsbüren, 2/2 (beide sind frei). Leider wird erst im Untermenü angezeigt, dass es hier ein 22 kW Lader ist.
Am Beispiel für die Fahrt Emsbüren – München sucht das Navigationssystem vier Ladestopps heraus. Am ersten Lader kommen wir mit 15% SoC an. Im Untermenü erhalten wir dann die Information: 28 Minuten Ladezeit und die Empfehlung: Laden bis 58%. Das macht einen guten Eindruck und deckt in etwa mit den Vorschlägen von A Better Routeplanner Routeplanner. Vier Pausen (16 + 31 + 19 + 27 Minuten) mit einer Ladezeit von insgesamt 1 h 33 min. Fahrzeit für 705 Kilometer mit Ladezeit (Pausen) von 8 h 20 min. Da kann man nicht meckern. Eigentlich müssten wir dringend mal nach München… Vielleicht mit dem Mercedes-Benz eVito?

Long-Run
Ja, wir waren tatsächlich zwei Mal auf dem Long Run; wobei sogar Hamburg für den EQV eigentlich mit fast 300 Kilometern gar keine Herausforderung war. Hier wird der Unterscheid zum Toyota Proace deutlich. Da haben wir es gerade bis Bremen geschafft und mussten die Rückfahrt schon gründlich planen. Mit dem EQV müssen erst Strecken ab 300 Kilometern organisiert werden.

Am nächsten Tag haben wir in Blankenese dann mit 11 kW von 72 auf 100% geladen. Günstiges AC-Laden (0,29 Euro/kWh) und kostenloses Parken. Perfekt.

Die Fahrt nach Leer (120 km) war natürlich auch keine Herausforderung. Vor der Fahrt waren wir gar nicht „tanken“ gewesen, da wir ja noch 269 km Reichweite hatten. In Leer haben wir natürlich einen citynahen 11 kW-Lader gesucht. Und oh Wunder: es gab mehr Lader als eAutos. Vor allem am Landkreishaus Leer. Insgesamt 48 Lademöglichkeiten. Leider nur ein 50-kW-Lader (EnBw-App), da gibt es noch Verbesserungsbedarf. In Leer haben wir eine 3-Stündige Pause eingelegt: Sightseeing und Laden – um dann mit zirka 150 Kilometern zusätzlicher Reichweite in Richtung Heimat zu können. Dann konnten wir auch mal mit 130 bis 140 km/h auf der A31 flott nach Hause fahren. Ein Tagespensum von fast 300 Kilometern war erreicht mit einem Verbrauch von 28 kWh/100 km.
Hier noch einmal ein Statement zum Thema 11 kW-Lader: das hat in Leer perfekt geklappt, weil etwa 150 zusätzliche Reichweite genügt hat. „Dankbar“ wäre man aber, wenn man in der Zeit 300 Kilometer hätte laden können. Ladestopps auf dem Rückweg müssen kurz sein oder besser noch ganz vermieden werden, weil man dann in der Regel müde ist und schnell nach Hause will. Da können 20 Minuten Ladestopp dann schon lang sein.

Kraftstoffverbrauch

Das Motto für Elektroautofahrer gilt hier besonders: langsam kommt man schneller ans Ziel. Aber auf dem Long-Run mit unter 23 kWh/100 km unterwegs zu sein, das kann sich sehen lassen.
So testen wir auf der aom-Vergleichsrunde.
Modus |
Strecke [km] |
Geschw. [km/h] |
Verbrauch [kWh/100km] |
aom- |
55 |
63 |
23 |
Super-Spar |
15 |
64 |
19,5 |
Landstraße sparsam |
37 |
58 |
22,5 |
Landstraße sportlich |
35 |
73 |
26,1 |
Landstraße 1 |
60 |
57 |
21,7 |
Landstraße 2 |
60 |
51 |
17,7 |
Landstraße 1+2 |
120 |
– |
– |
BAB 100 |
20 |
98 |
22,8 |
BAB 130 |
20 |
123 |
30,6 |
BAB, Landstraße |
296 |
– |
22,4 |
Stadt |
16 |
27 |
18,6 |
Pendler |
30 |
35 |
18,7 |
Ladestopps s. Ladehistorie |
Testverbrauch nach 1.910 km, 47 km/h, 22 kWh/100 km

Pro & Contra
+ |
Großer 8-Sitzer VAN mit ausreichender Reichweite. |
+ |
Ladefähig bis 110 kW, auch ab 80% mit 77 kW. |
– |
Leider nur 11 kW-Inboard AC Loader. |

Fazit

Was wichtig wäre: die Ladeleistung auf 150 kW zu erhöhen und auch 22 kW-AC Laden wäre ideal. Denn gerade dann, wenn man einen kurzen Zwischenstopp macht und man nur einen AC-Lader erwischt, bringen 22 kW in einer Stunde immerhin etwa fast 100 Kilometer Reichweite.
Ausblick

Das nächste eAuto ist drei Nummern kleiner: der Honda e. Ist er nur City-Flitzer oder kann er mehr? Wir geben die Antworten. Dann kommt der Volvo XC40 Recharge, Hyundai Kona Elektro und im September der VW ID.4. Das Jahr 2021 elektrisiert weiterhin- und das ist auch gut so! Wie sagt das Die Zukunft fährt elektrisch!
(BMVI) so schön:Übrigens, am nächsten Wochenende haben wir den Hyundai IONIQ 5 im Kurztest. Aber nach etwa 400 Kilomtern können wir sicher schon verlässliche Aussagen zum Thema Verbrauch und Ladefähigkeit machen.
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* Alle Preise ohne Gewähr, Stand: 06-2021.
Linktipps
- Fahrberichte – Übersicht Elektroautos
- Fahrbericht (kurz) Mercedes-Benz EQV
- 2020 – Mercedes-Benz EQV
- Fahrbericht – Mercedes-Benz eSprinter
- Fahrbericht FUSO eCanter Driving Experience
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