Fahrbericht FUSO eCanter Driving Experience
Kurz & knapp
Eigentlich wollte ich mir ja einen Kindheitstraum erfüllen: mit einem 7,5-Tonner, wie vor 60 Jahren, die „Tante-Emma-Läden“ in Oberbayern beliefern. Eine große Hürde ist: es sind fast 300 Kilometer bis Iffeldorf. Plan B lautet also: eine 160 km Rundreise durch das schöne Schwabenland.Der eCanter ist mit einer Pritsche ausgestattet und mit 288 kg Holzpaletten beladen. Das ist keine große Herausforderung. Wichtig für uns ist, wie weit kommen wir real mit einer Ladung und wie schlägt er sich während des Ladens? Denn der eCanter kann sowohl AC- als auch DC-Laden.
Daten & Fakten Modeljahr 2020
Motorbauart |
Elektromotor |
Hubraum |
— |
Emissionsklasse |
A+ |
Leistung |
129 kW |
Drehmoment |
390 Nm |
Verbrauch (WLTP) |
— |
Reichweite |
100 km (Kundenerprobt), |
Batterie (brutto / netto) |
82,8 kWh/66 kWh |
AC-Laden |
7,2 kW |
DC-Laden |
50 kW |
0 bis 80% laden |
60 min |
Ladevolumen je nach Aufleger |
4.155 kg Fahrgestellnutzladung |
Gesamt-/Leergewicht/ |
7.490 kg / 3.335 kg / 4.155 kg |
Beschleunigung 0-100 km/h |
k.A. |
Höchstgeschwindigkeit |
84 km/h (abgeregelt) |
Dann mal los…
Ich bin ja schon den Canter mit dem damals neuen Getriebe in Portugal und als 4×4 im Gelände gefahren. Den eCanter bin ich mal kurz, etwa 30 Minuten, in Berlin gefahren. Zuerst wird der Sitz auf das Gewicht des Fahrers eingestellt, damit der Sitz Unebenheiten wegfedern kann. Ansonsten ist alles eher „unspektakulär“, wie oftmals bei eFahrzeugen: Bremse drücken, Startknopf drücken, Wahlhebel auf D und flüsterleise geht es los.Schon nach wenigen hundert Metern fühle ich mich, als wäre ich nie etwas anderes gefahren. Aufpassen muss man nur, wenn man in enge Straßen hineinfährt, dass man weit genug ausholt, damit das Fahrzeug dann gerade die Enge passieren kann.
Auf der Autobahn hat der eCanter mit 84 km/h kein Problem und schnurrt auch locker die Berge hoch und runter. Die anderen Verkehrsteilnehmer überholen einen, weil mit 84 km/h „behindert“ man die schnellen Trucks, die 90 und 95 km/h fahren. Einer hupt sogar – aber sorry, ich kann (und darf) nicht schneller fahren.
Ladestopps
Nach 56 km sind wir in Schwäbisch Gmünd beim Porsche Zentrum angekommen und könnten dort sogar mit 350 kW laden. Natürlich ist der Lader eigentlich für uns LKW-Fahrer etwas ungeeignet, so dass wir etwas schräg parken müssen, denn die Ladebuchse befindet sich auf der rechten Seite hinter der Fahrerkabine.
Der eCanter lädt brav mit stabilen 42,3 kW, so dass wir nach 37 Minuten (26,6 kWh) Ladepause weiterfahren können. Weiter geht es nach Rechberg zur Mittagspause. Ideal wäre es, wenn dort ein Lader vorhanden wäre. Aber gerade der Tourismus hat dieses Thema für sich noch nicht entdeckt.Weiter geht es über Bad Ditzenbach in Richtung Kirchheim Teck. Unterwegs können wir einiges an Strom durch Rekuperation zurückholen. Dazu wird der Wahlhebel am Lenkrad einfach nach vorne gedrückt und man merkt deutlich, sobald man vom Gas geht, dass der Elektromotor jetzt als Generator arbeitet und Strom zurückgibt.
In Kirchheim Teck müssen wir auch wieder etwas längs parken, da die Lader in erster Linie für PKW geplant sind. Das Gute ist aber, dass man den eCanter auf der sprichwörtlichen Briefmarke wenden kann. Wir kommen mit einer Reichweite von 60 km am Lader an. Das hätte tatsächlich sogar noch bis Stuttgart gereicht.
Aber Laden ist wichtig. Wir möchten die DC Lade- und Alltagstauglichkeit verproben. Wir laden wieder mit 42 kW und fahren bereits nach 10 Minuten zum Ziel (Mercedes-Benz-Museum, 38 km) wieder weiter. Ankunft am Ziel mit SoC 48% und einer Reichweite von 48 km.
Kraftstoffverbrauch
Wir sind insgesamt 165 km gefahren und hätten diese Strecke locker mit einer kleinen Mittagspause und einmal Laden geschafft. Das bedeutet für den Entscheider auch: ein Ziel mit einer Entfernung von 80 bis fast 100 Kilometer können elektrisch angefahren werden, wenn man beispielsweise dort etwa 90 Minuten DC-laden kann; so kommt man auch sicher zurück. Es sind durchaus auch andere Lade-Fahrkonstellationen möglich (bspw. über die Mittagspause: ca. 45 Min DC Laden = 60 km).Natürlich ist man erst einmal überrascht, wenn man bei 165 km 69 kWh verbraucht hat und auf einen Verbrauch von 41,8 kWh/100 km kommt. Aber bitte nicht vergessen: wir sind mit einem 7,5 Tonner unterwegs. Ein Diesel-LKW ist auch nicht mit 5-6 l/100 km, sondern braucht im Schnitt 18-21 l/100 km (= ca. 21 Euro/100 km) unterwegs ist. Mit 12 bis 16 Euro / 100 km für Strom sind sogar die Kosten niedrig. Lädt man zu Hause mit Photovoltaik kippt die Rechnung deutlich in Richtung eLKW.
Testverbrauch nach 165 km, ca. 59 km/h, 41,8 kWh/100 km.
Fazit
Der eCanter macht richtig viel Spaß. Er ist quasi der Tesla unter den Nutzfahrzeugen. Der FUSO eCanter hat gezeigt, dass er nicht nur auf der letzten Meile einen guten Job macht. Im Sprint ist er an der Ampel mit Sicherheit nicht der langsamste in der City.
7,2 kW AC-Laden und knapp 50 kW DC-Laden – da muss der Hersteller noch einmal nachbessern (s.a. 80 kW DC-Laden Mercedes-Benz eSprinter). Man darf aber auch nicht vergessen, dass das Konzept eCanter als Vorserienfahrzeug schon etwa vier Jahre unterwegs ist. Bereits Mitte Dezember 2017 sind wir mit dem eCanter die erste Runde in Berlin (FUSO eCanter in Berlin) gefahren. Wichtig wäre auch noch ein adaptiver Tempomat. Denn an Tempo 40 km/h in Stuttgart muss man sich auch erst gewöhnen und Fotoapparate gibt es genug…Daimler Trucks ist mit dem FUSO eCanter gut im Rennen. Wenn der eCanter vielleicht demnächst auch 11 kW, besser 22 kW AC-Lader und mindestens 100 kW, besser 150 kW DC-Lader nutzen kann und man die Reichweite auf 200 Kilometer erhöht, wird der eCanter ein Bestseller. Wichtig wäre noch, den eCanter nicht bei 84 km/h abzuriegeln. Denn 90 bis 95 km/h schafft der locker und man verärgert nicht die Profis auf der BAB. Natürlich ist klar, dass durch das Mehrgewicht der Batterien die Nutzladung sinkt.
Ausblick
Mit den gewünschten 200 Kilometern kann mein „Ausflug“ mit dem FUSO eCanter zum Starnberger See mit einer Mittagspause locker bewältigt werden. Die Tour „Iffeldorf, Bichl, Kochel, Murnau, Weilheim, Seeshaupt“ wäre dann mit 77 km gar keine Herausforderung mehr. Dann können wir sogar noch einen Abstecher an den Tegernsee (41 km) machen. Denn da war ich damals mit meinem Onkel und dem Mercedes-Benz LKW auch – Erinnerungen werden wach…Das wäre cool, wenn wir das dann im Spätsommer 2021 hinbekommen würden. Denn Baden im Tegernsee war schon vor 60 Jahren in jeder Mittagspause Pflicht.
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