Blog: Träume…
Manchmal muss es ein Porsche sein
Die zweite Woche des verregneten Urlaubs ging in die kritische Phase. Man hat keine Kohle mehr, denn bis das Lehrgeld wieder ausgezahlt wird, würden noch bestimmt zwei Wochen vergehen, und der Tank ist auch schon wieder fast leer. Also was machen? Kino, Schwimmbad, usw. kostet alles nur Kohle. Etwas Besonderes sollte der Tag bringen. Etwas so Besonderes, dass man noch Jahre danach im Freundeskreis darüber spricht und beim Bierchen immer noch schmunzeln kann.
Es hatte schon einmal geklappt. Wir waren bei einem Mercedes-Händler und haben dem Verkäufer von unserer tollen Geschäftsidee erzählt. Um diese Idee richtig in die Tat umzusetzen, bräuchten wir eine große und vor allen Dingen starke Reiselimousine. Der Verkäufer glaubte mit uns an die Idee, und prompt saßen wir in einem Mercedes 280E. Ein für damalige Verhältnisse tolles Auto. Es war die erste Modellpflege der Baureihe W124. 193 kräftige Pferdchen, verpackt in einem schönem Blauschwarz-Metalic. Innen roch das Leder noch neu, da der Wagen erst 230Km auf der Uhr hatte. Wir waren dann für etwa drei Stunden die Könige der Straße. Alle Leute starrten uns an. Obwohl wir noch grün hinter den Ohren waren, saßen wir hinter dem großen Volant – als wäre es selbstverständlich. Aber auch dieses ging zu Ende.
Wenn man einmal den Geschmack des Luxus kennen gelernt hat, will man mehr. Die Fähigkeit Geschichten zu erfinden wurde immer ausgefeilter und deren Inhalt immer spektakulärer.
Der Höhepunkt dieses Wahnsinns, kam dann eines Morgens. Mein Kumpel sagte, wir sollten uns nun mal an Porsche wagen. Ich sagte zu ihm „Bist Du jetzt völlig von Sinnen“, aber er ließ von dieser Idee nicht ab. Ein Cabrio sollte es sein. Ach dachte ich bei mir, also ein Cabrio. Wir haben dann schnell zu Ende Gefrühstückt, und sind mit dem Wagen meines Freundes, einem rostfarbenen viertürigen Opel Ascona C, zu hiesigen Porschevertretung gefahren. Dort angekommen, den Opel in der hintersten Ecke geparkt, sind wir dann mit recht arroganter Miene in den Verkaufsraum gegangen. Nachdem wir dann so um das ein oder andere Cabrio geschlichen sind, sprach uns ein Verkäufer an. „Ob er uns weiter helfen könne?“ Fragte er.
„Na klar, wir suchen ein Cabrio“, antworten wir. „Ein Cabrio soll es sein“ sagte der Verkäufer etwas unglaubwürdig. Wobei ich dem Verkäufer im Nachhinein eines lassen musste, er spielte das Spiel mit.
Wir kamen nach ein paar Runden durch den Verkaufsraum endlich an dem Schreibtisch des Mannes an, der uns immer weniger Glauben schenken wollte. Und als wir dann noch nach einer Probefahrt fragten, kam uns die Situation aus unserer Sicht schon etwas merkwürdig vor. Aber auch diese Frage spielte der Verkäufer mit einer professionellen Gelassenheit runter.
„Ob wir uns über den Preis eines solchen Wagen im klaren wären“, fragte uns der Verkäufer argwöhnisch. „Aber sicher, ich habe eine Erbschaft“, antwortete mein Kumpel.
Das war das Zauberwort. Gut, es war ein bisschen übertrieben, denn er hatte von seinem Opa ein paar Mark für seine bestandene Zwischenprüfung als Koch erhalten, aber die Details interessierten jetzt eh keinen. Wir hatten den Verkäufer an der Stelle, an der wir ihn haben wollten. Er war mit dem Wort „Erbschaft“ so richtig gefügig geworden.
Schnell lag der Mietvertrag für einen Porsche 944 S2 Cabrio auf dem Tisch. Den Ausweis bräuchte er noch, um den Vertrag auszufüllen. An dieser stelle sei Erwähnt, mein Freund heißt Axel L. Sein Vater, und auf den war auch der Opel als Zweitwagen zugelassen, hieß Klaus L. Diese doch eher zufällige Namensgleichheit zu einem bekannten Rennfahrer aus dem Vorgebirge, der in den 80ger oft für Mercedes gewonnen hat, kam uns nun stark entgegen. Der Porscheverkäufer wunderte sich über den Namen, und fragte: „Heißt Ihr Vater tatsächlich Klaus L, Ist das der Rennfahrer Klaus L“. Auf diese Frage antwortete mein Freund nur, „ja mein Vater heißt Klaus L“. Damit hatten wir nicht gelogen, denn er wich der Frage geschickt aus, und beantwortete sie korrekt.
Wir saßen schneller im Cabrio als wir uns das am Frühstückstisch vorgestellt hatten. Das Wetter war zwar nicht so ganz ideal zum Cabrio fahren, aber zumindest regnete es nicht, und es waren etwa 20°C. Wir haben dann schnell den Stadtverkehr hinter uns gelassen, und waren Richtung Eifel unterwegs. Es war ein fantastisches Gefühl.
Hinter den Kulissen des Porsche-Hauses, spielte sich aber noch einiges ab, das uns im nach hinein auch noch zum schmunzeln brachte. Der Verkäufer ging wohl voller Stolz zu seinem Chef, und erzählte ihm von seinem bevorstehenden sicheren Deal. Das Problem war nur, dass der Rennfahrers Klaus L. einen Sohn hatte, der erst 15 war, und somit für den Kauf eines Neuwagens nicht wirklich in Frage kam. Der Verkäufer hat dann wohl etwas in Panik die Telefonnummer angerufen, die wir auf dem Mietvertrag angegeben hatten. Er hatte die Mutter von meinem Freund an der Strippe – und die wusste natürlich von gar nichts.
Als wir dann voller Stolz den Wagen in der Familie präsentieren wollten, war die Aufregung groß, und die Mutter aus dem Häuschen. Der Vater schüttelte nur mit dem Kopf, und der Bruder war ganz baff!
Wir brachten den Wagen unbeschädigt und pünktlich mit ein paar Kilometern mehr auf der Uhr, zum Porsche-Händler zurück. Der Verkäufer kam ganz aufgeregt aus dem Büro gelaufen, und betrachtete sein schönes Auto von allen Seiten. Nein es war keine Schramme drin, nicht mal der Teppich war schmutzig geworden. Als wir dann noch frech nach dem Farbsortiment des Porsche fragten, war der Verkäufer aber ganz der Profi. Er gab uns ein Prospekt mit auf den Weg, in dem alle aktuellen Farben zu sehen waren. Beim Verabschieden gaben wir uns die Hände, und der Verkäufer sagte zu uns: „Wir drei wissen dass sie nicht der Sohn des Rennfahrers Klaus L sind, und auch kein Erbe haben. Ich hoffe dass Ihnen die Probefahrt trotzdem Spaß gemacht hat, und wir uns vielleicht doch mal über den Verkauf eine Wagens unterhalten können, auch wenn es ein gebrauchter ist“.
Wir gingen mit einem Grinsen voller Stolz aus dem Geschäft, denn wir konnten uns innerlich vor Lachen nicht mehr halten. Ob das der Verkäufer auch so sah, sei dahin gestellt, aber eines muss ich nach etwa 20 Jahren sagen. Der Verkäufer war ein Profi, und jeder kann nur bis vor die Stirn schauen.
Der Porsche war der Höhepunkt einer Serie von geliehenen Autos und auch der letzte. Mann soll immer aufhören wenn es am schönsten ist – dieser Spruch hatte sich bewahrheitet.
Fotos (c) Redaktionsbüro Kebschull