VW und Winterkorn – Wie kann so etwas passieren?
Beitrag von 9-2015. Warum hat Volkswagen da nicht schon reagiert? Volkswagen baut zweifellos gute Autos. Wir haben hier schon eine ganze Menge vorgestellt. Vom kleinen VW UP, über den sportliche Golf R bis hin zum neuen Flaggschiff Passat mit 240 Diesel-PS. Und da beginnen wir mit dem Problem. Der Diesel als Mogelpackung. Der Versuch einer Analyse.
Schummeln ist verboten und teuer!
Jetzt steht diese Großmacht Volkswagen vor einem Scherbenhaufen. Für Winterkorn sicherlich ein bitterer Abgang. Vielleicht wünscht er sich heimlich, dass er den Kampf gegen Piëch verloren hätte. Aber in Altersarmut wird Wiko nicht fallen. Dafür hat er immer zu gut verdient (etwa 16 Million Euro pro Jahr) und sein „Schmerzensgeld“ wird auch nicht „von schlechten Eltern sein“.
Nächste Aktion: Die Vorstände Ulrich Hackenberg (Audi) und Wolfgang Hatz (Porsche) sind raus – stand geschrieben – sicher ist es aber noch nicht. Man mag gar nicht darüber nachdenken, wenn die Software auch bei Audi eingesetzt wurde. Dann wäre auch Rupert Stadler „weg“ vom Fenster. (beachte 9/2015)
Verbrauchswerte als Mogelpackung
Wir haben hier in den letzten fünf Jahren etwa 125 Autos getestet. Wichtig war immer: Wie hoch ist der Kraftstoffverbrauch. Als Tester musste man quasi immer entschuldigen, dass man die vorgegeben Werte nicht beweisen konnte.
Aber jeder, der in Physik aufgepasst hat, weiß, dass die Leistung, die benötigt wird aus der Summe der Teilleistung besteht. Leistung wird benötigt, um das Gewicht zu transportieren, die Reibung zu überwinden, gegen den Luftwiderstand „anzukämpfen“ (s.a. Wenn die bunten Fahnen wehen). Luftwiderstand hat was mit Cw-Wert und Stirnfläche zu tun. Getestet wird auf einem Rollenprüfstand. Also: Mogelpackung ohne Ende. Aber ist ja legal, machen ja alle. Und jetzt schreien die Politiker, dass das geändert werden muss. Das hätte schon lange geändert werden müssen – aber die Politik wird immer nur dann aktiv, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist. Und jedem ist klar (der wiederum in der Physik aufgepasst und kein „Not-Abitur“ hat), dass das berühmte „kleiner 100 g Schadstoffausstoß-Auto“ nur unter dieser Grenze bleiben, wenn es tatsächlich auch nur beispielsweise 4,5 l/100km Diesel verbraucht und das schaffen die meisten Autos nur in unserer Minimalrunde, da fährt sogar ein Porsche 911 Targa mit 7,5 l/100 km.
Wer ist schuld? Ein Szenario
Derjenige, der auf die Idee gekommen ist, diese Schummel-Software zu entwickeln. Oder der, der den Auftrag erteilt hat. Auch die Jungs aus der Qualitätssicherung hätten einschreiten müssen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass es da Widerstände gegeben hat. Aber der Erfolg ist wichtiger als das Ergebnis! Und natürlich hat es der Vorstand gewusst. Wenn nicht, hat er auch was falsch gemacht. Kein kleiner Abteilungsleiter entscheidet so eine Aktion. Dafür gibt es ja den Stab und ich weiß, wie ein Stab arbeitet, war selbst zwei Jahre lang Sachbearbeiter in einem großen (Brigade)-Stab.
Wie kann man so etwas verhindern?
Ingenieure müssen Zeit haben, sich um ihre Kernkompetenz zu kümmern. Mir sagte letztens ein Kollege: „Ein Ingenieur muss auch mal Zeit haben 15 Minuten aus dem Fenster zu schauen“. Im Gegenzug denkt er auch nach der Tagesschau über sein Problem nach und „Heureka“ – ich hab‘s.
Ein Ingenieur sollte auch nicht ständig in irgendwelchen Meetings sitzen, in denen sich die Qualitätsmanager selbst beweihräuchern. Weil sie in aufwändigen Powerpoint-Präsentation zeigen, wie gut, cool und wie wichtig sie sind.
Früher haben sieben Leute gearbeitet und einer hat Qualy gemacht. Heute ist es umgekehrt. Da die Quality-Leute oft nur Qualitätsfachleute sind, aber das eigentliche Kerngeschäft nicht verstehen, wird nicht am Inhaltlichen sondern an der Form, am Wording oder an der Qualität der Grafik „rumgemeckert“. Und keiner der Chefs traut sich, da was zu ändern. Wenn die Qualität nicht stimmt, werden nicht neue Ingenieure eingestellt, sondern mehr Quality-Manager. Weil – Quality ist eine heilige Kuh.
Auswirkung
Angeblich diskutiert man jetzt über Fahrverbote für Dieselfahrzeuge für 2016 in den Städten. Was soll der Blödsinn? Sollen wir jetzt alle mit dem öffentlichen Nahverkehr zu Arbeit fahren? Ich kann mich noch entsinnen, als 1965 im Ruhrgebiet dicke Rußflocken auf die Menschen runterrieselten. Das war sicher auch nicht gesund. Aber ein Euro-4-Diesel-Fahrzeug mit grüner Plakette nicht in die City zu lassen, ist der „Ober-Blödsinn“.
Was muss sich ändern?
Es muss wieder darum gehen, gute Produkte zu bauen, Innovation umzusetzen – nicht um alles in der Welt den Umsatz um mindestens 4 bis 5 Prozent jährlich zu steigern. Wenn man vor Jahren beispielsweise als Ziel hatte sechs Million Auto zu bauen und man hat dann 6,5 Millionen fertiggestellt, dann war Feierstimmung. Wenn jetzt das Ziel ist zehn Millionen zu bauen und „nur“ 9,5 bestellt wurden, dann ist Katerstimmung. Wenn in China die Wachstumsprognose von 15 auf 7,7 Prozent korrigiert werden muss, ist sogar „Weltuntergangsstimmung“.
Mit Martin Winterkorn, Ferdinand Piëch und vor Jahren schon mit Wendelin Wiedeking (bis 2009) geht ein weiterer großer Manager und Macher, den ich die Ehre zuteile mit Ferdinand Porsche, Carl Benz (1824 – 1929) und André Citroën (1878 – 1935) in einem Atemzug zu nennen.
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