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Schwer-Last-Transporter (SLT)

Veröffentlicht am: 23. Mai 2014Von
14C506 022 2 2014 SLT 2 150Einen Porsche Turbo 911 mit 520 PS zu fahren, ist ein Erlebnis. Fast ebenso spannend ist es einen Schwer-Last-Transporter (SLT) mit 625 PS zu bewegen, 3.000 Newtonmeter Drehmoment, zerren an 120 Tonnen. bergrunter wird heftig geschoben, berghoch geht es dann schon einmal nur mit 10 km/h. Bis zu 300 l/100km verbraucht das Ungetüm.

 

Mit dem Actros Schwer-Last-Transporter (SLT) auf der Teststrecke

14C506 022 2 2014 SLT 2 350Der Testzug steht wahrlich imposant da: Gesamtzugmasse 170 t, Gesamtzuglänge 21 m. Am Schwerlast-Kingpin zieht und trägt der stärkste und größte aller in Serie gefertigten Mercedes-Benz Actros. 4163 LS 8×4 SLT heißt die Maschine, 625 PS, 3.000 Nm stark, mit dem neuen Euro VI 15,6-l-Reihensechszylindermotor OM 473 LA.

Für die Kraftübertragung sorgt das 16-Gang-Klauengetriebe G 280-16 mit Mercedes PowerShift 3. Die hochintegrierte Motor- und Antriebsregelung kümmert sich zudem um die hydraulische Turbo-Retarder-Kupplung. Sie macht Anfahr- und Rangiervorgänge mit dem bis zu 250 t schweren Actros SLT zu einer quasi kinderleichten Millimeterangelegenheit.

GigaSpace-Fahrerhaus macht Schwertransportarbeit leichter

Am Arbeitsplatz des imposanten Actros 4163 SLT ist von dem geballten High-Tech-Aufgebot unter der Kabine und dahinter (vollintegrierte Heck-Kühlanlage, 900-l-Dieseltank, 190-l-Druckluft-Vorratsbehälter) nichts zu sehen. Vielmehr dominiert hier das Wohlfühl-Ambiente der größten aller lieferbaren Actros-Kabinen.

GigaSpace steht für satte 2,13 m Stehhöhe und bis zu 332 l Stauvolumen – Lebens- und Stauraum, den gerade Schwerlast-Profis mit ihren zumeist anspruchsvollen Arbeitszeiten als entscheidendes Kriterium für einen ausgesprochen fahrerfreundlichen Arbeitsplatz nennen. Denn nicht selten sind die verkehrsbedingt erzwungenen Standzeiten lang und der Actros SLT nicht nur Arbeitsplatz und Schlafzimmer, sondern auch Aufenthaltsraum.

Bei der Premieren-Testfahrt fällt die Verweilzeit im stehenden Fahrzeug naturgemäß kurz aus. Sehr kurz sogar, denn die Einweisung in die schwergewichtige Transporteinheit ist schon nach wenigen Minuten beendet. Wer den Actros kennt, muss sich „nur“ noch mental auf gewaltige Fahrzeugmasse und – ein wenig jedenfalls – auf die ungewöhnliche Zuglänge einstellen. Wer zwar Schwertransporte kennt, aber den Actros nicht, hat es noch leichter: Kaum ein Lastwagenmodell geht so selbsterklärend auf seinen Fahrer ein wie der Bestseller aus Wörth.

Bedienung (fast) wie im „normalen“ Actros

In diesem Testfall trifft ein „normal“ Actros-erfahrener Fahrer auf die gegenüber einem 40-Tonner mehr als vervierfachte Zugmasse. Zur Bedienung wird kurz die Turbo-Retarder-Kupplung (TRK) erklärt. Der SLT-Begleiter weist auf ein kleines Kontrolllämpchen hin, dass die Aktivität der TRK anzeigen wird. Und auf einen Schalter, mit dem man einen hydraulischen Rangiermodus einschalten kann.

Mit dem SLT eine echte Schwertransportaufgabe im Straßenverkehr zu übernehmen ist eine logistische Herausforderung. Da nicht alle Straßen, nicht einmal jede Autobahn befahren werden kann, kann eine Überführungsfahrt von etwa 300 Kilometern zu einer nicht enden wollende Ordern von 900 Kilometern werden.

Ansonsten ist alles Actros: Drehschalter im PowerShift-Wählhebel nach vorn, Feststellbremse lösen, Gas geben. Mit einer kleinen Verzögerung, bedingt durch die minimale Füllzeit der Turbokupplung, setzt sich der 170-t-Koloss in Bewegung. Die grüne Lampe der TRK leuchtet jedoch nur kurz, schon ist das rein hydraulische Anfahrspiel vorbei und die bewährte Mechanik aus Einscheiben-Trockenkupplung und PowerShift übernimmt allein das Geschäft der Drehmomentübertragung.

Das Powershift-Getriebe wechselt zügig vom dritten in den fünften und dann in den siebten Gang. Man kann sogar im 5. Gang anfahren. Das steckt der SLT locker weg. Die anstehenden Abbiegevorgänge gestalten sich deutlich einfacher als erwartet, denn am Schwerlastauflieger sind sieben von acht Achsen zwangsgelenkt. Das Gespann spurt also prima, und der SLT „beschleunigt“ weiter durch die Gänge.

Aber Achtung, die 120 Tonnen Last schieben mächtig. Kein Übermut in den Kurven aufkommen lassen.

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Gefällefahrt mit Automatik und Köpfchen

Aber aufgepasst: Im SLT mit 170 t im Rücken sollten zumindest Anfänger nicht groß ins Plauschen kommen. Das erste Gefälle steht gleich nach dem Linksabzweig an. Mehr als Tempo 20 sollte man hier besser nicht fahren, informiert der Profi. Als passenden Gang hat PowerShift den Achten ausgewählt. Mit der Limiter-Funktion des Geschwindigkeitsreglers wird Maximaltempo 20 km/h eingetippt, und dann geht es mit rund 1.500/min vollautomatisch geregelt talabwärts.

Die aus dieser schwergewichtigen Talfahrt anfallende Wärme wird im Schulterschluss der Motor- und der Zusatzkühlanlage abgeführt. Kurz vor der Talsohle – aber wirklich erst kurz davor – wird der Limiter abgeschaltet. Sofort nimmt die Fuhre Fahrt auf. Jetzt aufs Gas, denn es folgt das Gegenteil – eine Steigung, die genauso anspruchsvoll ist, wie das eben gemeisterte Gefälle.

Das Vortriebs-Management scheint die neuerliche Hürde bereits zu ahnen. In sachgerecht großen Sprüngen wird vom 16. Gang zurückgeschaltet. Da staunt der SLT-Neuling: Fahrzeugmasse und Steigungsgrad drosseln das gerade erreichte Marschtempo. Kurz darauf hängt der Zug schon stabil im vierten Gang mit nicht einmal mehr 10 km/h und 1700/min in der Steigung, also Nenndrehzahl bei voller Leistung von 625 PS.

Kühler-Kombi sorgt für Temperaturen im Sollbereich

Während der rein tempomäßig sehr beschaulichen Fahrt bleibt reichlich Zeit, schnell eine Hitze-Info aus dem Actros-Display abzufragen. Mit flinkem Tastendruck durch die Menüs gezappt, erscheinen sehr vertrauenserweckende 102°C in der großen Zentralanzeige.

„Das ist genau unsere Arbeits-Ziel-Temperatur“, meint der Instrukteur. Und jetzt bitte mal anhalten. Zum Test der Turbo-Retarder-Kupplung. Wenn man die nicht selbst gründlich ausprobiert, erschließen sich die immensen Vorteile dieses Bauteils nur unzureichend. Also Stopp. Und wieder Anrollen gegen die Hangabtriebskraft. Und jetzt so weit runter vom Gas, dass die 170 t gerade so stillstehen. Und nun noch etwas weniger Gas. Der Drehzahlmesser geht kurz unter die 1000er-Marke, der Zug kriecht nun rückwärts. Zentimeterweise. Allein dosiert durch das Gaspedal. Und zwar im dritten Vorwärtsgang.

Hätte das Fahrzeug eine konventionelle Reibkupplung wäre die Fahrt vermutlich hier zu Ende und ein Schaden mit einem Reparaturkosten-Voranschlag in fünfstelliger Höhe entstanden. Und bei einem Fahrzeug mit einem Drehmomentwandler wäre das System wegen Überhitzung ausgestiegen.

Fazit

Eine beeindruckende Erfahrung, diesen 170-Tonner zu erleben. Der SLT macht es dem Fahrer leicht, dieses Monstrum zu bewegen. Dennoch glaube ich, bleibt es weiterhin ein Abenteuer echte Schwerlasten im normalen Straßenverkehr von A nach B zu bringen.

Fotos ©2014 Redaktionsbüro Kebschull, Daimler

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