Blog: Tempo 130?
10-2007 – Häufig musste ich in den letzten Wochen an Ludwig Erhard denken. Auch wenn sein aktives Wirken lange vor meiner Zeit endete, gibt es noch heute, und damit auch für mich, Zeugnisse seines erfolgreichen Wirkens. Aber was hat das mit Tempo 130 zu tun?
Tempo 130 – Sinn oder Unsinn?
Als mein Vater 1948 zur Welt kam, passierte in Deutschland gerade etwas Großes: Erhard verkoppelte die Währungsreform mit einer ebenso entschiedenen Wirtschaftsreform. Sein Ziel war, der wirklichkeitsfremden administrativen Wirtschaftslenkung, die die Menschen überforderte und ihnen bis zum letzten Verbraucher Vorschriften machte „das verdiente unrühmliche Ende zu bereiten“.Aus diesem Geiste entstanden die Bundesbank und die Deutsche Mark, es entstand die soziale Marktwirtschaft und mit ihr das Motto „Freie Fahrt für freie Bürger“. Es entstand aber vor allem „Wohlstand für Alle“. Die Handelsgold-Zigarre Erhards war sichtbarer Ausdruck dafür.
Die Deutschen hatten nur wenige Jahre nach dem vernichtende Krieg und der totalen Niederlage wieder Identifikationssymbole: Mein Geld, mein Auto und mein Erhard. Man war wieder wer.
Was aber ist davon in unserer Zeit übrig geblieben? Die Deutsche Mark gibt es nicht mehr, dem Raucher (ich bin selbst Nichtraucher) geht es an den Kragen und das Gaspedal, das unsere letzte Freiheit ist, soll man bald nur noch halb durchtreten dürfen.
Als ob dem Autofahrer nicht schon genug Liebesentzug wieder fahren wäre. Benzinpreise von umgerechnet drei Mark, Feinstaubplaketten mit zugeordneten Umweltzonen, stoßdämpfermordende Straßenschäden in der Stadt und auf dem Land und jetzt eben „Tempo 130“.
Was das denn bringt, fragt mich ein Kollege bei einer Tasse Kaffee. Ich habe gerade die Zeitung zur Seite gelegt und weiß, dass es gar nicht so sehr um harte Fakten geht, sondern um ein Symbol.
Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) räumt ein, dass Tempo 130 auf Autobahnen den jährlichen Ausstoß von CO2 gerade einmal um 2,5 Millionen Tonnen senken würde. Zur Erreichung seiner ambitionierten Klimaziele müsse Deutschland aber 270 Millionen Tonnen einsparen. Dennoch ist aus Gabriels Sicht ein Tempolimit ein gutes symbolisches Thema, weil es zeige, dass jeder etwas tun könne.
Geht es um die reinen Fakten, verschieben sich die Akzente. Auf Autobahnen sterben pro 1000 Unfälle weniger Menschen, als auf Landstraßen. Und von den insgesamt 328.000 Unfällen mit Personenschaden ereigneten sich im Jahre 2006 nur rund 20.000 auf Autobahnen.
Der Verein Deutsche Ingenieure (VDI) geht noch weiter. Nach seinen Berechnungen werden in Deutschland jährlich 600 Milliarden Fahrzeugkilometer geleistet. Das jetzt von einigen angestrebte generelle Tempolimit auf Autobahnen würde nach diesen Berechnungen nur gut 75 Milliarden Fahrzeugkilometer oder 11 Prozent der Straßenverkehrsleistung betreffen.
Wir Autofahrer, die wir A2, A7, A9 und all´ die anderen deutschen Autobahnen, Autobahnkreuze und Autobahndreiecke kennen, können bestätigen, dass hohe Verkehrsdichte, Witterungseinflüsse oder ganz einfach Fahrbahnbeschaffenheiten auf zwei Dritteln dieser eigentlich frei befahrbaren Strecken Geschwindigkeiten von mehr als 130 km/h schier unmöglich machen.
Wie oft habe ich mir im Stau stehend gewünscht, wenigstens mit 80 km/h voranzukommen und wie oft habe ich mir Gedanken darüber gemacht, wie viel CO2 mein Auto wohl gerade in die Luft pustet, während ich im zähflüssigen Verkehr das Stop-and-Go-Spiel spiele. Wie wäre es denn, wenn man mal kreative Gedanken auf das Beseitigen dieser Staus verwendete, statt eine wirklichkeitsfremde administrative Verkehrslenkung zu beschließen.
Bezogen auf den Durchschnitt aller Autofahrer werden nach den Berechnungen des VDI nämlich nur 500 Kilometer pro Auto im Jahr mit über 120 km/h zurückgelegt. Der Anteil mit einer Geschwindigkeit jenseits von 160 km/h liegt sogar nur bei unter 100 Kilometern.
Meine Bitte: Gängelt uns nicht, sondern bietet uns endlich intelligente Lösungen an. Da machen wir bestimmt mit.♦
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