Fahrbericht – Toyota Proace Verso Elektro
Nach einem Kurztest mit dem Mercedes-Benz EQV und Toyota Proace, kommt jetzt der ausführliche Erfahrungsbericht mit einem echten „Bus“ im Langstreckentest. 340 km Reichweite sind versprochen. Stimmt das?
Eine neue Ära bei Lexus und Toyota?
Toyota war bei den Hybrid-Fahrzeugen mit dem Toyota Prius ganz weit vorne. Man könnte sagen, die Pioniere. Jetzt versucht Toyota mit Plug-In Hybriden, z.B. RAV 4, aufzuholen. In Sachen Wasserstoff gibt es zurzeit nur Hyundai und Toyota, die Serienfahrzeuge anbieten. Nach dem Lexus UX 300e, kommt jetzt der Toyota Proace Verso Elektro (auch als Nutzfahrzeug) und so wird Toyota allmählich das eAuto-Angebot erweitern.
Den Toyota Proace Verso Elektro haben wir ja schon im Kurztest (Toyota Proace Electric & Verso Electric) vorgestellt. Jetzt muss er zeigen, ob er auch im Alltag punkten kann. 1:0 natürlich erst einmal durch seine Größe. Wir sagen immer: besser Bus. Denn mit mehr als 5 Personen, sind die 7-Sitzer immer nahezu eine „Notlösung“. Entweder fahren 5 Personen mit Gepäck – oder wirklich 7 Personen, mit den kleinsten Kleinigkeiten. Der echte 8-Sitzer bietet mehr Platz, mehr Komfort – und ist einfach perfekt.
Im Toyota Proace Verso Elektro gibt es zwei 3-er Bänke und Platz für 2 Personen vorn. Hinten hat man ausreichend Platz für etwa vier bis fünf Koffer. Wenn das nicht reichen sollten, retten immer die Segeltuchtaschen. Da kann man vermutlich auch 8 Stück von verstauen.
Dann mal los
Natürlich ist der Toyota Proace Verso Elektro nicht der Sportwagen und es geht nicht so vehement los, wie man es sonst von einem eAuto gewohnt ist. Vor allem im ECO Modus fühlt man sich etwas „eingebremst“. Aber im Sportmodus kann man auch mal einen LKW oder Trecker überholen – ohne, dass es brenzlig wird. Wir waren trotzdem meist im ECO Modus unterwegs, denn der sorgt dann für eine bessere Reichweite.
Daten & Fakten
Motorbauart |
Elektromotor |
Hubraum |
– |
Emissionsklasse |
A+ |
Leistung |
100 kW |
Drehmoment |
260 Nm |
Verbrauch (WLTP) |
Ca. 25,1-26,9 kWh/100 km |
Batterie (brutto) |
50 / 75 kWh |
Reichweite (km) |
230 (50 kWh) / 330 (75 kWh) |
AC-Laden (kW) |
11 |
DC-Laden (kW) |
< 100 |
0 bis 80% laden |
30 min 50 kWh |
Nutzlast (kg) |
1.000 |
Anzahl Personen |
8 |
Gesamt-/Leergewicht/ |
k.A. |
Beschleunigung 0-100 km/h |
– |
Höchstgeschwindigkeit km/h |
130 |
Preis |
ab 58.530 €* |
Anhängelast |
1.000 kg |
Ausstattung
Der Toyota Proace Verso Elektro startet ab 58.530,00 €*. Dafür gibt es aber nur die kleine Batterie mit 230 km Reichweite. Aber gerade mit einem VAN (Bus) will man ja auch bestimmt in den Urlaub fahren; also ist eine 75 kW Batterie fast zwingend notwendig. Der Proace mit der besagten 75 kW Batterie startet dann bei 64.530 Euro.
Serienausstatung (Auszug)
|
|
Extras
Toyota Proace Verso Elektro Team Deutschland, |
64.530 Euro* |
bismutsilber |
750 Euro |
Navigationssystem |
880 Euro |
Summe | 66.160 Euro |
Umweltförderung |
– 7.500 Euro |
Der Toyota Proace im Alltag
Der Toyota Proace Verso Elektro punktet natürlich im Alltag. Acht Personen steigen ein, die Schiebtüren gehen zu. Glücklich sein. Falls mal mehr Stauraum benötig wird, können die Sitze verschoben und umgeklappt werden. Vermutlich kann auch die dritte Sitzbank schnell ausgebaut werden (nicht getestet).Um den Toyota Proace Verso Elektro an seine Grenzen zu bringen, haben wir extra eine Sitzgruppe für eine Terrasse gekauft (Scherz). Aber die vier großen Sitzelemente, samt Armlehnen und Auflagen, haben wir bequem verstauen können. Wir mussten die Möbel nicht einmal auspacken. Volle Punktzahl und Bonussternchen.
Bei Twitter gab es von anderen Usern Kritik, weil die Schiebetüren nicht elektrisch geordert werden können. Finden wir nicht berechtigt, weil die Schiebetüren sich mit etwas Schwung leicht öffnen und schließen können.
Lademeister
Wir haben meistens zu Hause geladen. Da erschreckt man erst einmal, wenn die Anzeige kommt „über 12 Stunden Ladezeit“. Aber erstens ist man nie ganz leer und zweiten muss man am nächsten Tag oft nicht mit 100% losfahren. Falls doch, muss man kurz zum Schnelllader fahren und bis 80% laden – und dann den Rest zu Hause laden.Der Toyota Proace Elektro überrascht am Schnelllader mit einer satten Ladeleistung von 100 kW. Das hätten wir nicht erwartet, weil hier ja Peugeot-Technik verbaut ist und der Peugeot e-2008 bei uns maximal mit 70 bis 80 kW geladen hat. Natürlich lädt der Toyota Proace nicht über den gesamten Zeitraum mit 100 kW, aber ab 80% lädt er immer noch mit 42 kW. Schade, dass der Toyota Proace, wie die meisten eAutos, nur mit 11 kW Inboard-Loader AC laden kann.
Navigation
Wie bei fast Herstellern, wird das Thema Navigation stark vernachlässigt. Auf einem guten Weg sollen sein: Audi, Porsche, Volkswagen (in Ansätzen), Polestar, BMW, Ford und Mercedes-Benz. Die Tests stehen noch aus. Der Mercedes-Benz EQV muss als nächstes Testfahrzeug beweisen, dass auch deutsche Hersteller eNavigation beherrschen.Wie soll es im Idealfall sein? Ziel eingeben und das Navigationssystem sucht automatisch die richtigen Lader heraus, wenn Reichweite und Entfernung zum Ziel nicht passen. Fährt man nicht sparsam genug, muss das System einen anderen Lader suchen. Wichtig ist die Angabe „State of Charge“ (SoC) bei Ankunft und mit welcher Batteriekapazität man weiterfahren sollte. Weiterhin wichtig: ist der Lader auch frei?
Ja, das Navigationssystem zeigt an, wo die Ladestationen sind. Aber mit welcher Kapazität kann ich dort laden? Ist der Lader frei? Nur mit einer vernünftigen Lade-Infrastruktur und einer leistungsfähigen Navigation kann sich die Elektromobilität durchsetzen. Denn der „normale“ Autofahrer will nicht planen (so wie wir das machen) und keine zusätzlichen Lader heraussuchen, falls der geplante besetzt oder defekt sein sollte. Der will einfach und komfortabel zum Ziel.
Apropos App
Ja, eine App ist vorhanden und nein, sie ist noch nicht so leistungsfähig, dass sie für den eAutofahrer nützlich ist. Die wichtigsten Informationen sind: lädt mein Fahrzeug und wie ist die Reichweite (s.a. Long-Run)? Dennoch passiert es sehr oft, dass das Fahrzeug anzeigt, dass es lädt und ist beispielsweise in einer Stunde bei 100%. Manchmal wird der Ladevorgang – warum auch immer – nach 5 Minuten allerdings abgebrochen.
Long-Run
Ja, der Toyota Proace Elektro war, trotz Corona, auf dem Long Run:
Überführungsfahrt Köln – Emsbüren (etwa 200 km)
Stressfrei ist es immer, wenn die Entfernung zum Ziel kleiner ist als die Reichweite. Das ist logisch. Dann kann man entweder zu Hause laden oder am nächsten Tag, beispielsweise während des Einkaufens. Aber Achtung! Die Angabe „330 km Reichweite“ wird immer via WLTP angegeben. Nur wenn man vorher extrem sparsam unterwegs war, können auch solche Werte erzielt werden (im Test: 360 km). Aber klar ist, ein BUS mit einer entsprechend großen Stirnfläche, kann auf der Autobahn kein Sparkünstler sein.
Osterholz-Scharmbeck (Bremen, etwa 200 km)
Zur Toyota Veranstaltung „Toyota Mirai“ fahren wir natürlich mit einem Toyota hin. Der Plan war, dass wir früh losfahren, vor der Veranstaltung schon etwas laden, vielleicht auch während der Veranstaltung und dann mit 100 % wieder zurückkönnen.
Vor der Veranstaltung war nur ein kurzes Laden an einem 50 kW Lader möglich, weil natürlich die Verkehrssituation auf der A1 unsere Pläne durchkreuzt hat. Dann passierte etwas sehr Cooles: bei Faun war man so freundlich, dass ich laden konnte: 2,5 Stunden * 11 kW AC Laden = ordentlich Reichweite. Wie erwähnt, hat der Lader vielleicht sogar 22 kW geliefert, die der Toyota Proace Elektro nicht „aufnehmen“ kann.Dann mal wieder das „Chaos“: nach nur geringer Ladezeit brach es ab. Wir haben nur 30 km Reichweite geladen. Mist. Egal. Wir hatten für diese Situation vorgesorgt und einen Schnelllader in der Nähe angefahren. Aber dieser Lader war besetzt. Wir haben den nächsten 50 kW Lader angefahren. Eine Ladeoption besetzt, die andere nicht nutzbar, weil das Kabel zu kurz war. Wieder Mist. Der Toyota Proace Elektro als Frontlader ist eigentlich ideal. Da wir aber den linken Platz nutzen mussten, reichte das Kabel nicht. Auch rückwärts einparken reicht nicht, weil das Fahrzeug zu lang ist.
Wir haben den nächster 300 kW Lader in Stuhr angefahren. Hier waren beide Lader besetzt. Aber wir hatten „Glück im Unglück“: der Peugeot e-208 konnte nicht laden… Wir haben Peugeot-Technik, dann wird es hier auch nicht für uns funktionieren. Doch, mit 100 kW wurden 42 kW in 33 Minuten konsumiert. Der Peugeot-Fahrer war nicht genervt. Denn nach etwa 14.000 km, war es das erste Mal, dass er nicht laden konnte. Mit 288 km Reichweite konnten wir dann mit Schwung (ca. 130 km/h) die Heimreise antreten.
Hattingen-Bochum (etwa 140 km)
Das macht hin- und zurück gerade mal 280 km. In der Theorie könnte man beide Strecken ohne Ladestopp schaffen. Geht aber nicht, weil man in Hattingen mit einer Reichweite von 76 km ankommt. Der 22 kW Lader (laden mit 11 kW) war frei, aber nach 2 Stunden laden hatten wir nur eine Reichweite von 177 km. Also musste noch ein Ladestopp in Bochum eingelegt werden. Kein Problem: wir legen eine 30-minütige Pause am Stadtpark ein und laden am 50 kW-Lader. Aber weder der 50 kW-Lader am Stadtpark, noch der in Bochum-Riemke konnte überredet werden, Strom zu liefern. Wir haben zwei Ladekarte und 2 Apps ausprobiert. Nichts ging! Wir kennen das. Der Lader am Stadtpark (Küppers Straße) macht des Öfteren Zicken.
Dann geht es weiter. Auf dem Weg zur A2 kennen wir in Herne einen 300 kW Lader, der auch sofort 100 kW geliefert hat. Eine kurze Eis-Pause wurde eingelegt und in 23 Minuten haben wir 25 kW geladen. Auch jetzt hatten wir einen Strom-Reichweiten-Überschuss, so dass wir flott (130 km/h) nach Hause fahren konnten – um nicht zu spät zum Spiel (Portugal gegen Deutschland) zu kommen.
Zwischenfazit: Laden und Reichweite
Audi und Porsche haben reagiert und bieten jetzt die eAuto auch mit 22 kW AC-Laden an. Ich denke, vor allem Fahrzeuge, die oft auf dem Long-Run unterwegs sind, brauchen diese Option. Denn natürlich sucht man die Schnelllader mit mindestens 150 kW. Aber gerade in der Stadt finden man meist eher einen 22 kW-Lader. Da bringen 3 Stunden Pause schon mal locker über 50 kW. Da findet (das Navigationssystem) sicher noch einen Schnelllader, um stressfrei Heim zu kommen (s.a. Welches eAuto ist ideal für mich?).
Kraftstoffverbrauch
„Besser Bus“, gilt für Urlaubsfahrten, Sport, Spiel, Fun. Nicht aber beim Kraftstoffverbrauch. Ein Bus hat eine große Stirnfläche (s.a. Wenn die bunten Fahnen). Dann wird bei höheren Geschwindigkeiten (beim Bus schon ab 120 km/h) überproportional viel Strom verbraucht. Da sind Verbräuche von 30 kW/100 km kein „Kunststück“.Auch Kälte treibt den Stromverbrauch in die Höhe. Minimalrunde morgens (über Nacht waren es ca. 4 bis 5 Grad) bei kalten Batterien (5 Kilometer „warmfahren“) mit einem Verbrauch von 20,3 kWh/100 km. Dann, bei etwa 29 Grad, hatten wir nur noch einen Verbrauch von 16,2 kWh/100 km.
So testen wir auf der aom-Vergleichsrunde.
Modus |
Strecke [km] |
Geschw. [km/h] |
Verbrauch [l/100km] |
aom- |
55 |
68 |
21,6 |
Super-Spar |
15 |
60 |
16,2 |
Landstraße sparsam |
88 |
57 |
18,6 |
Landstraße sportlich |
35 |
– |
– |
Landstraße 1 |
60 |
60 |
19,1 |
Landstraße 2 |
60 |
58 |
17,8 |
BAB 100 |
20 |
– |
– |
BAB 130 |
20 |
– |
– |
Stadt |
16 |
27 |
19,7 |
Pendler |
30 |
35 |
19,8 |
Ladestopps s. Ladehistorie |
Testverbrauch nach 1.914 km, 62 km/h, 23,8 kWh/100 km.
Pro & Contra
+ |
Großes eAuto für Platz für bis zu 8 Personen mit ausreichender Reichweite. |
+ |
Gutes Preis-/ Leistungsverhältnis. |
– |
Kein 22 kW Inboard-Loader. |
– |
Keine eAuto-Navigation, kein adaptiver Tempomat. |
Fazit
Natürlich ist der Toyota Proace Verso Elektro mit etwa 70.000 Euro kein Schnäppchen. Minus Umweltprämie von 7.500 Euro wird er allerdings etwas bezahlbarer. Man darf aber auch nicht vergessen, dass man für das Geld sehr viel Platz und Auto bekommt. Bitte beachten: auch ein gut ausgestatteter VW Multivan 6.1 (LINK Fahrbericht – VW Multivan) kostet als Benziner schon 80.000 Euro.Ausblick
Es geht weiter mit einem Bus-Test. Der Mercedes-Benz EQV steht auf der Einfahrt. Auch der muss beweisen, dass Long-Runs kein Problem sind. Mit einer Nummer kleiner, aber nicht wirklich „klein“ kommt dann der Volvo XC40 Recharge. Der Volvo XC40 Recharge soll nicht gerade ein Sparfuchs sein. 400 Kilometer soll der Volvo mit zwei kleinen Stopps a 22 Minuten schaffen. Geht das? Wie ist die Lade-Infrastruktur? Ist es eher Fun oder Frust? Wir geben die Antworten.
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Linktipps
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